Luftschlösser
gute Vorstellung von dem, was ich aus diesem Rohdiamanten machen möchte”, verkündete Persephone zuversichtlich. „Oh, eins noch - soll ich Bilder für die Wände besorgen?”
Charles zuckte mit den Schultern. „Von mir aus. Ganz nackt sieht auch nicht besonders schön aus. Glaub’ mir, ich weiß es, weil ich immer dachte, die Wohnung in Toronto wäre eine Übergangslösung und mir deshalb die Nägel in der Wand gespart habe.”
„Oh, sehr schade. Ich könnte nie in einer Wohnung mit leeren Wänden leben”, sagte Persephone mehr zu sich selbst. Dann fiel ihr auf, dass sie damit Privates preisgab und vom Thema abkam. „Okay, dann war’s das. Danke für deine Zeit. Ich habe dich jetzt lang genug aufgehalten und sollte besser wieder gehen.”
Nein, nicht jetzt, wo alles so gut lief!
„Wie wäre es, wenn ich dich stattdessen zum Lunch einladen würde? Das kleine Restaurant einen Block weiter gibt’s noch, habe ich auf meinem Weg hier her bemerkt. Bitte, Seph... Perry, du würdest mir damit einen Gefallen tun.” Es bedurfte einer gehörigen Portion Hartnäckigkeit, diese zarte Person aus ihrem Schneckenhaus zu locken, aber Charles Manning hatte fest vor, seine Charmeoffensive fortzusetzen.
Ihr war deutlich anzusehen, dass sie über dieses Angebot ernsthaft nachdenken musste. Als er schon nicht mehr mit einer Zusage rechnete, gab sich Persephone einen Ruck und nickte kurz.
„Gut, gegen einen Businesslunch ist wohl nichts einzuwenden.”
Charles beobachtete sie dabei, wie sie die Hefte in ihrer Tasche verstaute und aufstand. „Ich dachte dabei eigentlich eher an ein Essen unter alten Bekannten. Oder ist dagegen etwas einzuwenden?”
Wieder überlegte sie sich ihre Antwort sehr genau. „Nein, ich schätze nicht.”
Dieses Ergebnis genauer Abwägung brachte Charles unfreiwillig zum Lachen. Er erhob sich und hielt sich einen Schritt hinter seiner Bekannten, um ihr Haar und das halbtransparente Shirt im Sonnenlicht zu genießen. Er wäre jede Wette eingegangen, dass sie keine Ahnung davon hatte, wie attraktiv ihre Aufmachung auf Männer wirkte.
„Du siehst aus wie deine Mutter.” Wieder eine unfreiwillige Äußerung, die seinen Mund verlassen hatte, bevor sein Hirn ihn davon hatte abhalten können. „Du siehst genauso hübsch aus wie sie, meine ich.” Um sie nicht wütend oder verlegen zu machen, schob er eilig hinterher: „Weißt du noch, wie wir früher hier herumgerannt sind und sie mir irgendwas auf Schwedisch nachgebrüllt hat? Was hat sie da eigentlich gesagt?”
Persephone blieb kurz stehen und dachte an die Nachmittage im Park zurück. Als sie sich an die wütenden Rufe ihrer Mutter erinnerte, musste sie lachen. „Sie hat gesagt, dass du aufhören sollst, dich wie ein Idiot zu benehmen.”
Charles stimmte in ihr Gelächter ein, zum Teil auch, weil er sich aufrichtig freute, wenigstens für einen Moment ihre Schutzmauer durchbrochen zu haben.
„Oh Gott, jetzt bin ich wirklich froh, die Sprache nie verstanden zu haben! Sprichst du sie noch?”
Sie ließ sich mit ihrer Antwort Zeit und ihm war klar, dass sie auch dieses persönliche Detail nicht preisgeben wollte.
„Nicht besonders gut. Nach Mutters Tod gab es keinen Grund mehr dazu.” Persephone hatte sich zu dieser Auskunft durchgerungen, weil sie wusste, dass beharrliches Schweigen nie als Selbstschutz, sondern immer als Unhöflichkeit ausgelegt wurde. Außerdem konnte sie nicht leugnen, dass Charles Manning immer noch mehr über sie wusste als die meisten anderen Menschen.
Sie aßen in dem kleinen Restaurant, in dem sich schon ihre Mütter zum Essen und zu Gesprächen über ihre Ehemänner getroffen hatten. Beide gaben sich Mühe, höflich und interessiert über möglichst oberflächliche Themen miteinander zu reden. Dabei stellte Persephone fest, dass nicht nur sie Vorbehalte gegen die Art von Unterhaltung hatte, bei der es ans Eingemachte ging. Auch Charles redete nicht über sein Privatleben. Selbst die bedeutungslosen Fragen beantwortete er ausweichend und kurz angebunden.
***
Nachdem er in sein Hotel zurückgekehrt war, nahm sich Charles Manning viel Zeit, um über diesen Vormittag, Persephone deWinter und sein Leben im Allgemeinen nachzudenken. Das Treffen mit Sephi war weitaus entspannter verlaufen als gedacht. Wenn man sich erst an ihre geschäftsmäßige Art gewöhnt hatte, konnte man sich mit ihr recht nett und kultiviert unterhalten. Ihr Aussehen war ebenso überwältigend wie das ihrer Mutter, die er
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