Luftschlösser
als kleiner Junge für ihre Schönheit und Eleganz regelrecht angehimmelt hatte. So hatte er an diesem Vormittag beides gehabt, ein permanentes Déjà vu und das aufregende Gefühl, mit einer hübschen jungen Frau unterwegs zu sein, nach der sich viele andere Männer auf der Straße umdrehten. Es war geradezu lächerlich, dass Persephone vom Interesse seiner Geschlechtsgenossen nicht das Geringste bemerkte. Das brachte ihn wiederum zu ihrer Reaktion auf ihn selbst. Sie schien ihm nicht sonderlich viel Wohlwollen entgegen zu bringen, was nicht weiter verwunderlich war, wenn man bedachte, dass er nie besonders liebevoll mit ihr umgegangen war. Vielleicht war das ja sein generelles Problem? Obwohl er zu seinen Freundinnen immer höflich, charmant und aufmerksam gewesen war, hatte er es mit keiner lang ausgehalten. Und sie auch nicht mit ihm. Die sprichwörtliche rosa Brille war ihm fremd, ganz zu schweigen von dem Gefühl der Zusammengehörigkeit, das man in einer Beziehung erwartete. Lediglich an diesem Vormittag hatte es sich ein paar Augenblicke lang so angefühlt, als wäre er nach einer langen Reise wieder daheim angekommen.
„Odysseus für Arme”, murmelte er leise, ärgerte sich dann über sein Selbstmitleid und schnaubte verächtlich. „Reiß’ dich am Riemen, du Spinner!”
***
Persephone konnte sich nach ihrer Rückkehr in ihr Büro nicht auf die Arbeit konzentrieren. Trishs fröhliches Geplapper störte sie so sehr, dass sie sie aufforderte, den Nachmittag frei zu nehmen. Sie saß lange Zeit nur da, hatte die Augen geschlossen und atmete ganz bewusst ein und aus. Der Schmerz in ihrer Brust war wieder da, schlimmer und stärker als zuvor. Inzwischen befürchtete sie, ernsthaft krank zu sein. Worauf sonst sollten Schmerzen und rasender Puls sonst hindeuten? Was immer es auch war, es würde warten müssen, bis sie ihren Job für Charly erledigt hatte. In gewisser Weise empfand sie es als Genugtuung, dass auch er in seinem Privatleben nichts zu haben schien, mit dem er hätte prahlen können.
Wenn sie schon keine Andacht hatte, die großen Entscheidungen zu treffen, sollte sie wenigstens die kleineren Sachen in Angriff nehmen, entschied Persephone. Badewannen, Waschbecken, Duschen und WCs für die Bäder und Toiletten waren schnell bestellt. Termine für Böden und Wandgestaltungen würde sie erst vereinbaren, wenn sie Harrys Trockenbauwände begutachtet hatte. Um sich abzulenken, schaute sie stattdessen die Fotos auf ihrer Speicherkarte an und wählte die schönsten für einen Bildband über dieses Projekt aus. Edward hatte ihr damit einen Floh ins Ohr gesetzt, den sie nicht mehr los wurde.
Bevor es dunkel wurde, stattete Persephone Charles’ Apartment noch einen Besuch ab. Harrys Leute hatten ganze Arbeit geleistet - alle Wände standen felsenfest an ihren Plätzen. Für diese Rekordarbeit hatten sie sich ihren üblichen Bonus für Eilaufträge redlich verdient. Sie ließ ihre Blicke schweifen und stellte fest, dass die Aufteilung in die einzelnen Räume ihrer Vorstellungskraft mächtig auf die Sprünge half. Die Dekoration würde ein Kinderspiel sein, wenn erst einmal alle Möbel an Ort und Stelle standen. Die Möbel... Die würde sie bestellen, wenn sie das Farbkonzept klar und deutlich vor Augen hatte. Ebenso die Lampen und Zimmertüren. Wie sie es auch drehte und wendete - einen Monat würde Charles auf jeden Fall noch in seinem Hotelzimmer aushalten müssen.
Oh, sie würde ihn und seine Vorlieben noch ein wenig ausloten müssen! Eine falsche Couch konnte schließlich alles ruinieren. Auf diese Weise würde auch Trish zu ihrem Recht kommen, mit ihrem Notizblock hinter ihrem Auftraggeber herzulaufen und sich wichtig zu fühlen. Eine Nachricht auf dem AB würde ihrer Sekretärin hoffentlich den Morgen versüßen.
„Hallo, Trish. Kannst du bitte bei Mr Manning anrufen und ihn um einen Termin mit uns beiden bitten? Wir müssen wissen, welchen Stil er gern in seiner Wohnung haben möchte, also werden wir ihn durch ein Einrichtungshaus schleifen, um seine Präferenzen kennen zu lernen. Danke und bye.” So, erledigt. Zeit für den längst überfälligen Feierabend.
***
„Ach, hören Sie doch auf, Sie Charmeur!”, ließ sich Trishs Stimme bis hinaus auf den Flur vernehmen. Persephone kannte das - wenn ihre Sekretärin schon am Morgen diesen übermäßig fröhlich-klebrigen Tonfall am Leib hatte, war sie in Flirtlaune. Fragte sich nur, wem sie diesmal ihre Gunst zuteil werden
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