Lukas und die gestohlene Weihnacht
liegen.
„Nun zu E uch, ihr lästigen Kinder!“ Er hob seine Hand und streckte sie von sich, so dass seine gespreizten Finger auf Lukas und Rebekka zeigten. Plötzlich formte sich zwischen seinen Fingern eine tennisballgroße Feuerkugel. Lukas schrie:
„Runter Bekki!“ und riss sie mit sich zu Boden. Der Feuerball entlud sich aus der Hand des dunklen Mannes und raste blitzschnell auf Lukas und Bekki zu. Er streifte Lukas am Hals und schlug hinter ihm im Haus ein. Ein lauter Knall, ein dröhnendes Rumpeln. Das Haus stürzte ein.
„Lauf, Lukas!“, schrie Rebekka. Lukas sah zu ihr. Sie lag am Boden, ein Stützbalken des Hauses lag auf ihrem Oberschenkel und sie konnte sich darunter nicht befreien. Lukas zog am Balken, doch er rührte sich keinen Millimeter von der Stelle. Rebekka fasste ihn am Arm und blickte ihm in seine rehbraunen Augen.
Sie flehte: „Lukas, lauf so schnell du nur kannst. Er soll nicht uns beide bekommen!“
„Nein, nein, ich gehe nicht ohne dich!“, schluchzte Lukas. Sie zog ihn zu sich und sprach: „Lukas, hör mir zu! Ich komme nach, sobald es geht. Aber wenn du nicht gehst, wirst du mich auch nicht retten können. Vielleicht gelingt es dir, mir zu helfen, wenn du jetzt erst einmal entkommst! Bitte! Lauf weg!“
Lukas sah seine Schwester an. Ein weiterer Feuerball schlug im einstürzenden Haus ein. Ein Wandstück war auf Joseph Mohr gefallen und hatte ihn unter sich begraben. Lukas sah zum dunklen Mann. Er war noch fünf Schritte weg von ihm und seiner verletzten Schwester.
„Ich liebe dich, Bekki!“, sagte Lukas und dicke Tränen kullerten seine Wangen herab.
„Und ich liebe dich, Lukas! Nun geh!“
Lukas ließ Rebekka los und rannte davon. Er lief und lief und blickte die ganze Zeit über nicht zurück. Schließlich fasste er in seine Jackentasche und umklammerte darin die Schneekugel. Sie fühlte sich heiß an. Er sah hinab zur Jackentasche. Die Kugel leuchtete durch den Stoff hindurch. Noch während er rannte, verschmolzen Raum und Zeit und Lukas setzte die Reise fort. Allein.
Kapitel 7
Lukas ging die Straße der großen Stadt entlang. Doch der Boden war nicht wie zuletzt in Hamburg mit Steinen gepflastert. Seine Füße quälten sich über fest getretenen Lehmboden, der im einsetzenden Regen nass und rutschig wurde. Immer wieder glitt er mit seinen Turnschuhen auf dem glitschigen Untergrund weg. Links und rechts von ihm befanden sich aus massivem Stein errichtete, herrschaftliche Patrizierhäuser. Direkt vor den Eingangstüren der hohen, prächtigen Gebäude lagen Schottersteine. Je glanzvoller das Haus, desto schöner und aufwendiger schienen die Eingangsbereiche: Manche waren sogar mit Pflastersteinen ausgelegt und bildeten einen Kontrast zur matschigen Straße. Am Himmel standen dunkle, graue Wolken und ein langsam anschwellendes Donnern groll zu Lukas hinab. Blitze zuckten über den Horizont und machten die Nacht für Sekundenbruchteile zum Tag.
Lukas dachte an Rebekka. Ob sie wohl noch lebte? Wieso misslang ihm alles, was er anpackte? Warum war er nur diesem Mann im dunklen Mantel auf dem Weihnachtsmarkt gefolgt? Ach , dachte Lukas, alles, was ich mache, ist Mist! Dann fielen ihm Rebekkas Worte ein. Wären sie dem Mann nämlich nicht gefolgt, wäre Weihnachten auf jeden Fall verloren. Doch war es das wert? Wog die Rettung des Weihnachtsfestes den Verlust seiner Schwester auf? Ganz sicher nicht , urteilte er.
Welche Stadt dies hier war, ließ sich nicht sagen. Genauso wenig konnte Lukas einschätzen, in welchem Jahr oder gar Jahrhundert er nun gelandet war. Das einzige, was sicher schien, war dass er alleine durch den Regen streifte. So wie es hier aussieht , dachte er, bin ich noch weiter in die Vergangenheit gereist. Ganz selten kreuzte ein fremder Mensch seinen Weg. Besser mal niemanden ansprechen , beschloss er. Es war kalt und nass. Doch Lukas war das scheißegal. Er vermisste Rebekka. Er vermisste seine Eltern. Er vermisste sein Zuhause und dass alles so war, wie es einmal war. Welchen Sinn machte das alles, wenn Rebekka nicht mehr lebte?
Er spürte die Wölbung der Schneekugel von innen gegen seine Jackentasche drücken. Lukas schritt über eine Brücke und blieb vor einem großen Bauwerk stehen. An der Eingangspforte las er Collegium Clementinum.
„Möchtest du eintreten?“, sprach eine Stimme hinter ihm. Lukas drehte sich um und sah einen Mönch.
„Mir egal “, entgegnete er.
„Dann sei willkommen, junger Mann“, sagte der Mönch. „Ich
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