Lukianenko Sergej
Bergbewohner öffnete die Faust, die Fee
flatterte auf, bedachte alle mit einem beleidigten Blick
und flog davon.
»Dieser verfluchte Vitamant!« Tränen traten in Tianas
Augen. »Dieser gemeine Gavar! Er … er hat mich gezwungen … er hat mir …«
»Fürstin, es ist nicht nötig, darüber zu reden«, sagte
Krakritur.
»Oh doch!« Tiana stampfte mit dem Fuß auf. »Ich
werde freiheraus alles sagen! Er hat mich gezwungen,
diese Zelle allein aufzuräumen! Er hat mir meine Dienerinnen weggenommen!«
Paclus und Krakritur sahen sich an.
»Unerhört!«, sagte Krakritur. »Einfach jenseits von
Gut und Böse.«
»Und wo sind die Dienerinnen?«, fragte Trix, der in
der letzten Zeit durchaus Respekt vor körperlicher Arbeit
entwickelt hatte – und vor allen, die sie verrichteten.
»Er hat sie dem Kapitän gegeben!«, sagte Tiana traurig. »Und stellt Euch bloß einmal vor … sie haben gelacht! Sie haben mit dem Kapitän Wein getrunken und
gelacht, das habe ich selbst gehört!«
»In Anbetracht der äußeren Erscheinung dieser Damen«,
murmelte Paclus, »ist das verzeihlich. Nur auf einem
Schiff voller Zombies und ungehobelter Matrosen konnten
sie etwas weibliches Glück finden!«
»Wir müssen hier weg, Tiana«, sagte Trix, der diese
delikate Angelegenheit nicht vertiefen wollte. »Ich habe
treue Leute gefunden, aber trotzdem muss ich dich heimlich retten. Das musst du verstehen. Schließlich war es
der König selbst, der befohlen hat, dich den Vitamanten
zu geben.«
Tiana nickte und ihre Augen wurden abermals feucht.
»Ich weiß. Diese verdammte Diplomatie! Ich hasse die
Politik!«
»Ich muss dich tarnen, Tiana«, fuhr Trix fort. »Mein
Leh… ein Zauberer hat mir dringend dazu geraten. Ich
muss dich verwandeln. In jemanden oder etwas. Damit
dich niemand sieht, wenn wir wieder an Land sind. Es
wird nicht für lange sein, keine Sorge! Nur ein paar Tage,
vielleicht eine Woche.«
»In jemanden oder etwas?«, fragte Tiana neugierig.
»Ja. In einen Jungen zum Beispiel. Oder in eine Großmutter. Oder in ein Eichhörnchen. Oder … oder in einen
wertvollen Ring …« Trix seufzte. »Nein, in einen Ring,
das geht nicht. Mit Metall klappt es nicht. Es muss etwas
Lebendiges oder Hölzernes sein … oder Porzellan …«
»Porzellan?«
»Zum Beispiel eine Vase«, sagte Trix. »Oder … besser
nicht, die geht womöglich kaputt. Also, wer möchtest du
sein? Oder was?«
»Auf gar keinen Fall eine Großmutter!«, antwortete
Tiana bestimmt. »Und ein Junge auch nicht! Und kein
Eichhörnchen! Muss das wirklich sein?«
Trix nickte traurig. Er wollte ja auch nicht, dass Tiana
sich in jemanden oder etwas verwandelte. Aber nicht auf
Sauerampfer zu hören, das traute er sich nicht.
»Wie groß kann der Gegenstand denn sein?«, wollte
Paclus wissen. »Ich habe gehört, dass man etwas Leichtes nicht in etwas Schweres verwandeln kann. Kann ein
Zauberer dann einen Fettwanst in eine kleine aparte Echse
verwandeln?«
»Wie das genau vor sich geht, weiß ich nicht«, gab
Trix zu. »Anscheinend verflüchtigt sich alles, was überflüssig ist. Es wird dann später aus der Umgebung zurückgeholt … Tiana?«
Das Mädchen sah ihn nachdenklich an. »Weißt du«,
sagte sie tapfer, »verwandel mich in ein Musikinstrument! In eine Pfeife oder Flöte. Ich mag Musik. Und du
wirst dann keine Probleme haben, mich zu tragen.«
Trix stellte sich vor, wie er Tiana, die Flöte, an seine
Lippen setzte, um eine leise zarte Melodie zu spielen.
Vor Aufregung fing er an zu zittern.
»Ich werde es versuchen«, sagte er. »Moment … damit ich keinen Fehler mache … Eipott!« Er öffnete sein
treues Buch mit Zaubersprüchen, holte einen Stift heraus
und überlegte kurz, bevor er anfing zu schreiben:
Der junge Zauberer sprach die Worte des Zauberspruchs und das schöne, betörende wunderbare Mädchen
verwandelte sich. Was vertreibt dem Magier die Einsamkeit? Was kann sprechen, auch wenn es keine menschliche Stimme besitzt? Was ist der beste Freund in besinnlicher Stunde, was unterhält und gibt Anlass zum Nachdenken, was erlaubt es, alle Gefühle auszudrücken, die
ein Mensch empfinden kann, was erlaubt es, eine andere
Seele zu verstehen? Anstelle der kleinen jungen zarten
Schönheit sah er die Schöpfung eines Meisters vor sich,
geschaffen aus wohlriechendem Sandelholz …
Trix hielt inne. Was gehört sonst noch zu einer Flöte?
Die für einen edlen Jüngling unumgänglichen Musikstunden lagen schon weit zurück, sodass er inzwischen
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