Lukianenko Sergej
auch das Haarband … und äh … das Kleid.«
»Sie ist nackt?«, brachte Annette die Sache auf den
Punkt und fing schallend an zu lachen. »Ja, mein Herr, da
wäre es jetzt nicht gerade klug, sie zurückzuverwandeln.
Das könnte falsch verstanden werden.«
»Aber was soll ich dann machen?«
»Zaubere ihr Kleidung«, riet die Fee. »Ein Kleid, Pantys, was ein Mädchen halt so braucht.«
»Ein Zauberer muss eine genaue Vorstellung von dem
haben, was er zaubert«, sagte Trix verlegen. »Aber gut.
Ich werde es versuchen. Also …« Er hüstelte. »So wie
der wertvolle Edelstein eine würdige Fassung braucht, so
braucht auch die schöne junge Fürstin Kleidung. Und die
Kleidung unterwirft sich dem Willen des Magiers und
erscheint unverzüglich. Ein Kleid … äh … aus rosafarbenem Samt … eine Art Sack mit Löchern … unten mit
einem großen Loch für … für die Beine … oben mit einem kleineren für den Kopf … und auch Ärmel … ein
Ärmel ist so etwas wie eine Röhre aus Samt, in die der
Arm gesteckt wird … und an den Enden Spitze … und
um das Loch für den Kopf auch … und alles reich bestickt …«
»Ups!«, fiepte Hallenberry und zog die Füße aufs Bett.
»Oho«, sagte Annette, die über dem Kleid schwebte,
das jetzt auf dem Boden lag. »Meine Güte! Hast du eigentlich schon jemals ein Kleid gesehen?«
»Natürlich!«, rief Trix. »Was denkst du denn?«
»Im Großen und Ganzen hast du ja recht«, fuhr die
Fee nach kurzer Überlegung fort. »Ein Kleid ist ein Sack
mit Löchern für Beine, Arme und Kopf!« Sie kicherte,
beruhigte sich jedoch gleich wieder. »Und natürlich mit
Spitze! Ohne Spitze, das wäre ja undenkbar! Aber das
hier! Das ist ein Samtsack für Kartoffeln! Noch dazu einer mit Löchern! Und mit Spitze!«
»Ich bin schließlich kein Schneider«, sagte Trix leicht
trotzig. »Aber für den Zauber musste ich sagen, wie ein
Kleid gemacht ist. Hmm … Soll ich es kleiner machen?
Und die Ärmel enger?«
Die Fee sah zweifelnd auf das am Boden liegende
Stück rosafarbenen Samts. »Nein. Ich glaube nicht, dass
das etwas bringt. Und wenn ich mir vorstelle, wie du andere Stücke der weiblichen Garderobe beschreibst …
wird es wohl besser sein, wir kaufen ein Kleid.«
»Wie das?« Trix riss die Augen auf. »Soll ich etwa
zum Schneider gehen und ein Mädchenkleid bestellen?«
»Die Pantys nicht zu vergessen!«, kicherte die Fee.
»Stimmt, das wäre ein merkwürdiger Auftrag. Weißt du
was, kauf einfach Sachen für einen Jungen!«
»Aber ich habe Tiana versprochen, sie nicht in einen
Jungen zu verwandeln!«, entgegnete Trix.
»Das tust du ja auch nicht! Du kaufst nur Jungensachen. Sie hat sich doch selbst als Junge verkleidet, als sie
aus dem Palast geflohen ist, nicht wahr? Glaub mir, in
der Hauptstadt wird es für sie ungefährlicher sein, wenn
sie wie ein Junge aussieht.«
»Könnte sein«, murmelte Trix. »Gut, ich suche einen
Schneider!«
Der Schneider war überraschend schnell gefunden,
nämlich direkt gegenüber der Schenke. Ein großes Schild
über der Tür verkündete: OSEF SCHMOLL, Schneidermeister.
Darunter hing noch ein kleineres Schild: Mitglied der
Schneidergilde mit Recht auf Schnitt und Naht.
Und darunter hing ein ganz kleines Schild mit dem
völlig unverständlichen Hinweis: Vorgefertigte Kleidung
für Damen und Herren.
Als Trix beklommen durch die Tür trat, bimmelte ein
Glöckchen. Er sah sich im Laden um.
Der Raum erinnerte kaum an eine Schneiderwerkstatt.
An den Wänden standen zahllose Kleiderständer voller
Hosen, Hemden, Jacketts, Kaftane, Wämser, Jacken,
Umhänge, Schals, Kleider, Strümpfe, Socken und Tücher.
Hier und da waren auch Schirme und Hüte zu erkennen.
Trix betrachtete mit offenem Mund die Unmengen von
Kleidern. Er meinte, in den Umkleideräumlichkeiten eines Bades gelandet zu sein, in das hundert Menschen
beiderlei Geschlechts und unterschiedlichen Alters gekommen waren, um sich zu waschen.
»Was wünschen der junge Herr?«
Der Schneider war so überraschend aufgetaucht, dass
Trix ihn nicht gleich unter all der Kleidung entdeckte.
»Osef Schmoll, zu Euren Diensten«, stellte sich der
Schneider höflich vor. Er war klein, dick, glatzköpfig,
mit einer großen Nase und großen Ohren. Am Revers
seiner Weste funkelte das Zeichen seiner Gilde, eine goldene Nadel. Trix erinnerte sich, dass das ursprüngliche
Emblem der Gilde eine Schere war. Dann waren die
Schneider aber dahintergekommen, dass eine goldene
Nadel weit billiger
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