Lukianenko Sergej
war als eine goldene Schere.
»Was ist das?«, fragte Trix und zeigte auf die Unmengen von Kleidung.
»Das?« Schmolls Blick folgte Trix’ Finger. »Das, junger Herr, ist ein Kaftan. Ein sehr anständiger Kaftan, der
aber wohl nicht zu Euch passen dürfte, junger Herr.«
»Ich meinte das ganz allgemein …« Trix breitete die
Arme aus. »All die vielen Kleider … Wem gehören die?«
»Kauft sie, dann gehören sie Euch.« Schmoll lächelte
freundlich.
»Aber für wen habt Ihr sie genäht?«
»Ah!«, sagte Schmoll. »Jetzt verstehe ich! Der junge
Herr kommt vermutlich aus der Provinz?«
»Also … äh«, stammelte Trix und wurde rot. Nein,
heute war wirklich nicht sein Tag. Ständig lief er rot an!
»Im Grunde ja.«
»In der Provinz, junger Herr«, Schmoll trat an Trix
heran und fasste ihn freundlich beim Ellbogen, »wo Ihr
das Glück hattet, geboren zu werden, plätschert das Leben langsam und gleichmäßig dahin. Was macht ein
Mann da, wenn er neue Hosen haben möchte? Er kauft
ein Stück Stoff und geht zum Schneider. Der Schneider
nimmt Maß, schneidet das Tuch zu, behält einen ordentlichen Teil Stoff für sich ein und näht ein Beinkleid oder,
wie es heute heißt, Hosen, die er einige Wochen später
dem Kunden aushändigt. Damit sind alle glücklich und
zufrieden. Aber bei uns, in der Hauptstadt, verläuft die
Zeit anders. Hier will niemand warten! Die Leute kommen her und wollen sofort mit neuem Beinkleid wieder
abziehen. Pardon, das war der alte Ausdruck: mit neuen
Hosen. Deshalb wurde die vorgefertigte Kleidung entwickelt.«
»Und was ist das?«, fragte Trix.
»In den Hinterzimmern«, erklärte Schmoll liebenswürdig, »sind erfahrene Meister sowie für geringes Geld
angeheuerte Samarschaner Tag und Nacht damit beschäftigt, zuzuschneiden und zu nähen. Beinkleider, pardon,
Hosen, Gehröcke, Pantys. Die Sachen werden hier aufgehängt, die Menschen kommen und kaufen.«
»Aber die Menschen sind doch alle anders!«, rief Trix
erstaunt aus. »Der eine ist größer, der andere kleiner!
Einer hat krumme Beine, einer einen kurzen Hals …«
»Ja und?«, erwiderte Schmoll. »Wenn man sich näher
damit beschäftigt, stellt man rasch fest, dass die Menschen so unterschiedlich nun auch wieder nicht sind. Alle
haben zwei Arme und zwei Beine. Wir machen Beinkleider … schon wieder!« Schmoll winkte ab. »Gut, gelte ich
halt als altmodisch. Es bleibt bei Beinkleid! Also Beinkleider in verschiedenen Größen. Und auch Hemden.
Wenn ein Beinkleid zu groß ist, nimmt man einen Gürtel.
Wenn es zu lang ist, heißt es schnipp, schnapp und umgenäht!« Er lächelte triumphierend und machte mit den
Fingern eine Schere nach.
»Die Menschen wählen also unter vorgefertigter …«,
sagte Trix nachdenklich. »Aber es ist das Schicksal armer
Menschen, die alte Kleidung des Adels aufzutragen.«
»In der Provinz, ja«, sagte der Schneider. »Aber hier
wird kaum Kleidung maßgeschneidert.«
»Nun … vielleicht trifft sich das ja ganz gut«, meinte
Trix. »Die Sache ist die, dass ich … Das heißt, nicht ich,
ein Freund von mir … der genauso groß ist wie ich und
auch ungefähr so dick … der braucht dringend ein Paar
Hosen, ein Hemd, ein Wams … Strümpfe und Schuhe.«
Trix verstummte, als er dem arroganten, gleichzeitig aber
neugierigen Blick des Schneiders begegnete.
»Euer Freund also«, sagte Schmoll schließlich, nachdem sie sich eine Weile schweigend angesehen hatten.
»Ein Verwandter von mir, Herr Pharm vom Fliederfarbenen Boulevard, ist Apotheker. Er erzählt mir häufig
von jungen Männern, die ihn um eine spezielle Mixtur für einen Freund bitten, der an einer unangenehmen
Krankheit leidet. Und ein anderer Verwandter von mir,
der Advokat Herr Schmock, berät einen jungen Herrn
ebenfalls gern, falls ein Freund von ihm einmal in
Schwierigkeiten gerät. Aber dass jemand Hosen und ein Hemd für einen Freund kaufen möchte …« Schmoll breitete die Arme aus. »Junger Herr! Ihr braucht Euch dessen
doch nicht zu schämen. Glaubt mir, in der Hauptstadt ist
es durchaus üblich, zwei Paar Beinkleider zu haben …
pardon, ich meine natürlich Hosen.«
Trix wurde erneut rot, seufzte und beschloss, nicht
auf das Thema einzugehen. »Richtig«, sagte er deshalb,
»ich bin es, der Hosen braucht, ein Hemd, ein Wams,
Strümpfe …«
»Kurz und gut, eine vollständige Garderobe«, schlussfolgerte Schmoll und musterte ihn eingehend. »Also …
Schulterumfang … Brustumfang …«
»In der Brust kann es
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