Lukianenko Sergej
Waren wie Seide, Baumwolle
oder Steinsatin. Auch Goldschmiede gab es mehr als genug. Sie stellten nichts in den Schaufenstern aus, sondern
lockten ihre Kundschaft allein mit dem stolzen Emblem
der Gilde an, zwei ineinander verschlungene Ringe. Und
natürlich fanden sich wie an jedem Handelsplatz zahllose
Wechselstuben. Ein oder zwei Wachposten hatten ein
scharfes Auge darauf, dass niemand den Geldhändler
übervorteilte, der, wie es sein Berufsstand verlangte,
nackte Unterarme zeigte und an einer Schnur drei Münzen trug, eine goldene, eine silberne und eine kupferne,
das Zeichen seiner Gilde.
Neugierig ließ Trix den Blick über das bunte Treiben
schweifen und hielt nach einer Schenke Ausschau, in die
ein Ritter einkehren, würde. Mit der Schenke Schild und
Schwert meinte er schon gefunden zu haben, was er suchte,
doch Ritter hielten sich trotz des vielversprechenden
Namens in ihr nicht auf, da saßen nur seltsame und
schweigsame Männer in unauffälliger Kleidung einsam
an den Tischen, stierten vor sich hin und schlürften langsam ihr Bier. Trix drückte sich eine Zeit lang am Eingang
herum, ehe er die Schenke wieder verließ.
Als Nächstes zog das Schild der Bierstube Alles ruhig seinen Blick an, wo etliche der Gäste Rüstung trugen.
Die Panzer stellten sich bei näherer Betrachtung jedoch
als leichte Kettenhemden heraus und statt Schwertern
steckten in den Gehängen schwere Knüppel aus Gummiholz. Da Trix nicht die Absicht hatte, bei der Stadtwache
anzuheuern, verließ er auch diese Einrichtung wieder.
Erst als er den Berg fast erklommen hatte, entdeckte er
am Fuße des Schlosses eine Schenke mit dem bescheidenen Namen Schuppe und Kralle , vor deren Eingang zwei
Ritter schwerfällig von ihren Pferden stiegen.
Vom rotznasigen Hirtenjungen bis zum weisen Astrologen (der schließlich auch einst ein Junge war) wussten
alle, dass es verschiedene Rüstungen gab. Ein Ritter
würde keinen funkelnden Panzer, gefertigt aus soliden
Metallplatten, tragen, um gegen einen Drachen zu Felde
zu ziehen oder durch die Stadt zu flanieren. Denn erstens
war sein Pferd im Unterschied zur Rüstung nicht aus Eisen. Und zweitens würde der Ritter selbst bei mäßigem
Sonnenschein innerhalb von einer halben Stunde geröstet
sein und einen Hitzschlag kriegen. Ein schwerer Vollpanzer war nur etwas für Turniere. In ihn ließ sich der
Ritter hineinstecken und aufs Pferd hieven, er ritt los,
stach zu, wurde wieder herausgeschält und durfte abkühlen.
Diese beiden Ritter trugen leichtere Rüstungen, die
aber trotzdem etwas hermachten: Helme mit Federbusch,
Kürasse, Beinschienen aus Stahl, Kettenärmel und Handschuhe. In ihnen bewegten sie sich langsam, aber nicht
unbeholfen. Ihre Knappen, Jungen von siebzehn, achtzehn Jahren, führten die Pferde an das Holzgeländer vor
der Schenke und banden sie dort fest. Die Pferde nickten
einander wissend zu, als wollten sie sich ihr Leid klagen.
Trix sah den Rittern, die in der Schenke verschwanden, zweifelnd nach. Kurz zögerte er noch, dann trat er
an die Knappen heran, die die Pferde mit sauberen Lappen abrieben. Der scharfe Geruch des Pferdeschweißes
schlug ihm entgegen. Die Knappen linsten zu ihm herüber.
Wie sollte er sie ansprechen? Schließlich war er kein
Co-Herzog mehr – sondern ein Niemand, der versuchte,
Knappe zu werden.
»Jünglinge!«, sagte Trix unsicher.
»Zieh ab, heute gibt’s nichts«, antwortete sofort einer
der Knappen.
Der zweite zeigte sich gutmütiger. Er kramte in seiner
Tasche, fand einen Kupferling und gab ihn Trix. »Hier«,
sagte er. »Kauf dir etwas Brot!«
»Der und hungrig! Sieh dir mal die Hamsterbacken
an!«, murmelte der erste Knappe, während er die Kruppe
seines Pferds abrieb. »Du bist zu gut für diese Welt.«
»Heute bin ich auf den verdammten Tag genau drei
Jahre bei Sir Hoyer in Diensten«, sagte der Knappe und
spuckte aus. »Leg ein gutes Wort bei den Göttern für
mich ein, Kleiner!«
»Ist der Dienst als Knappe wirklich so schlimm?«,
fragte Trix erschrocken.
»Kommt darauf an, bei wem«, brummte der Knappe.
»Wenn die Sterne dir gewogen sind, nicht. Aber wenn
dein Herr ein aufgeblasener Schwätzer ist«, er spähte
ängstlich zur Tür hinüber, »dann verfluchst du bald alles
und jeden auf der Welt.«
»Der will selbst Knappe werden«, schnaubte der unfreundlichere der beiden. »Guck dir doch mal an, wie
aufgeregt er ist!«
Nun musterten die beiden Trix mit offener Neugier.
»Würdet ihr mir
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