Lukianenko Sergej
alte; Veteranen voller Wunden und vor Kraft und Gesundheit strotzende Jungspunde. Es roch nach Metallpolitur, Sattelwachs und natürlich nach Pferden. Einige Ritter hatten ihre Knappen dabei, andere nicht. Die meisten
saßen in Gruppen zusammen und palaverten über Ritterprobleme. Trix fing einzelne Gesprächsfetzen auf: »Und
da sag ich zu ihm: Lass uns wie Edelleute miteinander
kämpfen!«, »Was kann ein Schwert schon gegen eine
Streitaxt ausrichten? Gut, vielleicht wenn es ein Beidhänder ist!«, »… und hat den ruhmreichen Sir Shobald
mit einem Schlag zu Boden …«
Trix fiel auf, dass es in dieser Schenke keine rechteckigen, sondern nur runde Tische gab. Wahrscheinlich,
damit sich die edlen Ritter nicht stritten, wer den Vorsitz
bei Tisch hatte.
Außerdem gab es keine Tischdecken, Teller oder
Besteck. Man aß von Holzbrettern, die von Klingen zerkratzt waren, und zwar einfaches Essen – gekochtes oder
gebratenes Fleisch mit Gemüse und Brot –, und benutzte
dabei Dolche, sowohl die breiten Kriegsdolche mit gezahnten Klingen wie auch die feinen langen Stilette.
Anscheinend galt das als der letzte Ritterchic, denn die
wenigen Knappen, denen die Ehre zuteilwurde, neben
ihren Herren am Tisch zu sitzen, aßen mit normalen Gabeln, die sie nach dem Essen in ihre Stiefelschäfte steckten. Ein dicker Ritter mit Schnurrbart, der gerade in eine
gebackene Wildschweinhaxe biss, die er mit viel dunklem Bier runterspülte, wandte sich seinen Kameraden zu:
»Was hab ich euch gesagt? Wildschweinhaxe – das nenn
ich Essen!«
Trix schluckte seine Spucke hinunter. Sein junger, im
Wachstum begriffener Organismus hatte nichts dagegen,
zwei, drei Mal pro Tag zu essen, Frühstück und Abendbrot nicht einberechnet.
Da niemand auf ihn achtete, konnte er in aller Ruhe
nach Sir Glamor Ausschau halten. Er brauchte nicht lange
zu suchen. Glamor war der rothaarigste, lauteste und lustigste Ritter unter den Anwesenden. Der polierte Helm –
Modell »Wolfsmaul«, sehr in Mode – stand vor ihm auf
dem Tisch, die langen roten Locken fielen ihm anmutig
über den Metallkragen des Kettenhemdes. In diesem
Moment erzählte er, mit einem fast leeren Bierkrug fuchtelnd, drei Tischgenossen einen Witz: »Ein Magier, ein
Ritter und ein Dieb landen auf einer einsamen Insel voller
Menschenfresser …«
»Halt«, unterbrach ihn einer der drei. »Wie kommt es,
dass ein Magier, ein Ritter und ein Dieb zusammen eine
Reise machen?«
»Das spielt doch gar keine Rolle!«, kanzelte ihn Glamor
ab. »Nehmen wir an, sie wollten zusammen einen Schatz
suchen. Der Ritter würde sich mit den Feinden schlagen,
der Magier Hilfe mit einem Zauber leisten, der Dieb die
Schlösser knacken und die Fallen unschädlich machen.
Sie brechen also auf, das Schiff geht leck …«
»In dem Fall«, meinte der Skeptiker, »hätte ich allerdings auch noch einen Kleriker in die Mannschaft aufgenommen. Damit er sich um die Wunden kümmert oder so.«
»Und noch einen Ritter sowie einen zweiten Magier!«,
bemerkte der Zweite der drei. »Zu einer guten Truppe
gehören sechs Mann!«
»Besser keinen Magier, sondern einen ordentlichen
Barden!«, mischte sich auch der Dritte ein. »Ein erfahrener Barde ist mehr wert als jeder Magier!«
»Ein Barde ist gut«, pflichtete ihm der Skeptiker bei.
»Wenn er richtig loslegt, fällt den Feinden der Himmel
auf den Kopf!«
»Freunde!« Sir Glamor erhob die Stimme. »Meine
Freunde! Wir betrachten hier eine hypathet… eine hypithet… eine hypothetische Situation! Eigentlich ist das
doch gar nicht passiert!«
»Trotzdem wären sechs Mann besser!«, beharrte einer.
»Selbst hy… hypothetisch!«
»Also von mir aus«, lenkte Sir Glamor ein. »Dann
eben sechs Mann. Aber ein Magier, ein Ritter und ein
Kleriker gehen in der stürmischen See unter, als das
Schiff kentert!«
Stille trat ein. Dann erhoben sich die drei Zuhörer rasselnd.
»Aber wir dürfen nicht anstoßen!«, warnte der Skeptiker. »Wie hieß unser ehrenvoller Bruder?«
Sir Glamor grunzte und schickte seinen Blick erst an
die Decke, dann zu Trix. »Er hieß Sir Egalwer«, sagte er
und zwinkerte Trix zu.
»Lasst uns des edlen Sir Egalwer gedenken!« Der
Skeptiker leerte seinen Bierkrug in einem Zug. »Anscheinend kam dieser Ritter aus den fernen östlichen Gegenden?«
»Von ebenjenen«, bestätigte Sir Glamor. »Also, ein
Ritter, ein Magier und ein Dieb landen auf einer einsame
Insel voller Menschenfresser. Die schnappen sie …«
»Was
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