Lukianenko Sergej
ab. Allerdings sah er
dabei nicht sonderlich verärgert aus.
»Aber nur in unserem Königreich. Wenn wir es jedoch
den Feinden verkaufen, wäre es Sabotage zum Ruhme
des Regenten und des Königs, also genau das Gegenteil.
Wir könnten die Münzen aber auch bei den Wilden gegen Perlen eintauschen. Ihnen ist es egal, woraus sie ihre
Ketten machen.«
»Immer sachte«, brummte Sauerampfer lächelnd.
»Was habe ich mir da nur für einen begabten Schüler
eingehandelt? Geh jetzt besser …« Er dachte nach, offenbar über eine Aufgabe für Trix. »Geh jetzt besser auf
die Wiese und pflücke zwei Blumensträuße. Keine Rosen, die hängen mir schon zum Hals raus! Mach einen
aus Mohnblumen und Kamillen, den anderen aus Kornblumen und Tulpen. Und dass mir beide ja schön werden! Du musst dein ästhetisches Empfinden entwickeln!
Und … und üb dich in Magie! Nimm dir ein paar verrostete Hufeisen aus der Rumpelkammer und mach daraus
zwei Dutzend gute Nägel – der Aufzugskorb klappert
und muss ausgebessert werden. Du hast Zeit bis Sonnenuntergang.«
Mit den Sträußen war Trix schnell fertig. Er schämte sich
dessen zwar – aber die Stunden in Blumenzucht und
Straußologie gefielen ihm sehr. Gut, es mochte keine
sehr männliche Tätigkeit sein, andererseits wäre es peinlich für einen Ritter, einer schönen Dame einen Strauß
aus gelben Alpenveilchen zu schenken, denn die symbolisieren den Wunsch nach Trennung.
Die zwei Sträuße zur Entwicklung des ästhetischen
Empfindens hatte Trix also trotz der argwöhnischen
Blicke des Minotaurus, der den Turm bewachte, rasch
zusammengestellt. Der aus Mohn und Kamille war ihm
besonders gut gelungen. Er drückte den tiefen und aufrichtigen Respekt gegenüber seinem Lehrer aus. Der
zweite aus Kornblumen und Tulpen sah etwas zusammengestückelt aus. Trix kam zu dem Schluss, dies sei ein
Zeichen seiner eigenen Unwissenheit, die er überwinden
wollte.
Sein Magen knurrte, denn er hatte bisher nur ein Käsebrötchen gegessen. Von einer solchen Kleinigkeit ließ er
sich jedoch nicht beirren. Zügig zauberte er die zehn Nägel, die ihm spitz und recht dünn gelangen. Dadurch ermuntert, wagte er sich an ein Stück frisches, lockeres und
mit Kümmel bestreutes Brot.
Das gelang und es war von echtem durch nichts zu unterscheiden. Trix drehte es hin und her, schnupperte und
biss ab. Es schmeckte. Nachdenklich knabberte er das
Brot. Leider sättigte es nicht wie echtes. Von den magisch geschaffenen Lebensmitteln taugte nur Wasser etwas, alles andere brachte dem Organismus keinen Gewinn. Aber auch keinen Schaden, weshalb man durchaus
hin und wieder versuchen konnte, seinen Hunger auf diese
Weise zu überlisten.
Er wollte zu gern noch etwas Großes schaffen. Etwas
Richtiges. Sodass Meister Sauerampfer der Unterkiefer
herunterklappte und er sagte: »Alle Achtung, Trix! Du
wirst einmal ein großer Zauberer werden!«
Sollte er vielleicht …
Er lag im Gras, kaute auf einem Grashalm und dachte
über die erfolglosen Versuche von Radion nach, einen
Familiar herbeizurufen. Warum hatte das nicht geklappt?
Die Worte hatten doch so klug und vernünftig geklungen.
Vermutlich lag es also nicht am Dämon, sondern an den
Regeln, die den Magier vor dem Familiar schützen sollten. Aber auch die Regeln waren gut, allumfassend. Hatte
sie womöglich schon einmal ein anderer Magier benutzt?
Waren die Worte abgenutzt?
Wie sollte man sich dann aber schützen? Sollte man
etwa ein hilfloses Wesen herbeirufen, das überhaupt
nicht imstande war, Unheil anzurichten? Aber wer
bräuchte denn so was?
Nein! Er musste die Sache anders angehen! Gesetze
und Regeln – das war wie eine Kette, die man einem
Räuber anlegte. Aber nicht nur die Angst vor Strafe hält
einen Menschen davon ab, einem anderen Leid zuzufügen. Das Gleiche bewirken auch Gefühle füreinander:
Liebe oder Freundschaft zum Beispiel. Gut, Osramos, der
Dämon des Feuers und der Flammen, mochte den Magier, der ihn herbeigerufen hatte, vermutlich nicht. Aber
es konnte doch auch nette Familiare geben.
Trix betrachtete verträumt eine Tulpe, die im Wind
wogte. »Inmitten eines riesigen Blumenfeldes lebt in den
Tulpenblüten Annette, die schöne Fee der Blumen«, sagte
er dann. »Die Blütenblätter von Kornblumen und Kamillen sind ihr Gewand, zum Frühstück trinkt sie Tau und
Nektar, zum Mittag isst sie den Staub kleiner gelber
Blumen. Sie ist so groß wie mein Zeigefinger und sieht
hinreißend aus, zart, mit blauen Augen
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