Lukianenko Sergej
muss nämlich ausgemistet werden. Also, sind wir uns
einig?«
»Was geht denn hier vor?«, erklang es da empört an
Trix’ Ohr. »Hat man Töne!«
Trix drehte sich um und blickte Annette finster an.
»Hör auf zu schimpfen! Das sind … unsere Gäste. Sie
stehen unter meinem Schutz.«
»Gäste?«, fragte die Fee giftig. »Schöne Gäste! Deine
treue Fee braucht sich nur einmal eine Minute zu entfernen, ein wenig mit ihren Freundinnen im Mondlicht zu
tanzen, und schon holst du dir ein Mädchen ins Haus und
springst halb nackt vor ihr herum! Schämen solltest du
dich!«
»Was für ein Mädchen?«, fragte Trix verwirrt.
»Mach mal deine Augen auf! Ha, ha, ha!« Die Fee
stieß ein dämonisches Lachen aus. Leider war ihre
Stimme zu schwach, als dass es den gewünschten Effekt
gehabt hätte. »Willst du etwa behaupten, du kannst ein
Mädchen, das Hosen und ein Hemd trägt, nicht von einem Jungen unterscheiden?«
»Das liegt an den magischen Emonatien«, stöhnte Ian
und formte mit dem Daumen und dem Zeigefinger der
linken Hand rasch einen Ring, um sich gegen den bösen
Blick zu schützen. »Was für ein Unglück! Erst war er ein
Junge, jetzt ist er ein Mädchen!«
Trix sah die Fee an.
Dann Tien.
Dann stieß er Ian in die Seite, ließ sich auf ein Knie
nieder, wie es sich für einen Ritter gehört, und sagte:
»Eure Hoheit, Fürstin Tiana, verzeiht Eurem unwürdigen
Diener die respektlosen Worte und sein Verhalten. Verfügt über mein Leben!«
Der Lehrling des Barden beobachtete ihn neugierig
und seufzte. »Steht auf, Eure Durchlaucht, edler CoHerzog Trix«, sagte Fürstin Tiana schließlich. »Ich und
mein illegitimer Bruder Hallenberry überlassen uns Eurem edlen Schutz.«
Die Fee schwieg und schlug mit den Flügeln. Ian
schluckte geräuschvoll und versuchte, sein Hemd bis zu
den Knien hinunterzuziehen.
Trix biss sich auf die Lippe. Wo waren nur seine Augen gewesen? Jungenkleidung und kurze Haare (jetzt sah
Trix auch, dass die Haare von einer unerfahrenen Hand
hastig und ungleichmäßig geschnitten waren) – und
schon erkannte er die Fürstin nicht mehr!
»Ich habe große Angst, Trix«, sagte die Fürstin und ihre
Stimme klang mit einem Mal kläglich und erschreckt.
»Sehr große. Alles, was ich dir von Hass und den Vitamanten erzählt habe, ist wahr. Du wirst mich doch beschützen, oder?«
3. Kapitel
W
enn du noch jung bist, aber beim Anblick dummer
Mädchen schon nicht mehr das Gesicht verziehst,
wenn du von klein auf weißt, dass du ein edler Ritter
wirst, wenn du voller Begeisterung in den alten Chroni
ken über die Heldentaten gelesen hast, die um schöner
Damen willen vollbracht wurden, dann weißt du, was
Trix empfand, als er früh am Morgen Radion Sauerampfers Haus verließ.
Fürstin Tiana schlief noch süß und selig (Trix hatte ihr
das Bett des Zauberers überlassen und die Nacht auf dem
Sofa im Studierzimmer verbracht, die Gefahren der magischen Emanationen tapfer ignorierend), als Trix und
Ian zum Markt aufbrachen. Hallenberry stand gähnend
und mit gerunzelter Stirn in der Tür, auf seiner Schulter
saß die Fee Annette. Trix erteilte ihm die letzten Befehle:
»Geht nirgendwo hin! Ihr habt Wasser, der Eimer im
Abort ist sauber. Macht niemandem auf! Nur mir!« Nach
einem Blick auf seinen Knappen fügte er noch hinzu:
»Und Ian. Schiebt alle Riegel vor!«
»Hör mal, ich bin kein kleiner Junge mehr«, sagte Hallenberry eingeschnappt. »Ich habe Tiana geholfen, aus
dem Palast zu entkommen!«
Trix ging gar nicht auf ihn ein. »Wir sind bald wieder
da. Wir kaufen alles, was wir brauchen, und kommen
sofort zurück. Schlaft einfach noch eine Weile!«
»Klaro, wir schlafen! Was, wenn dein Magier kommt?«
»Der kommt nicht. Der hatte gestern mit Freunden ein
Symposium. Vermutlich ging es die ganze Nacht durch.
Er wird bis Mittag schlafen, vielleicht sogar bis zum
Abend. Der kommt erst morgen.«
»Was ist ein Symposium?«
»Ein Essen mit Freunden. Sie trinken Wein, essen und
reden.«
»Klaro. Dann hat mein Vater jeden Abend ein Symposium«, sagte Hallenberry.
»Dein Vater? Tiana hat doch gesagt, du bist ihr Bruder … na ja, ihr Stiefbruder.«
»Das stimmt auch«, sagte Hallenberry. »Meine Mama
war beim alten Fürsten Zimmermädchen. Aber das zählt
doch nicht, oder? Ich habe den Fürsten nur ein einziges
Mal gesehen. Man wollte mich auspeitschen, weil ich im
Garten ein paar Erdbeeren gegessen hatte, aber als der
Fürst das gesehen hat, hat er gesagt, dass man mich
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