Lukianenko Sergej
Zauberlehrling … An dich kann ich mich übrigens nicht erinnern.«
»Wie sollte der edle Trix Solier sich auch an jeden
Diener im Fürstentum Dillon erinnern?«, entgegnete Tien
respektvoll. »Ich erinnere mich jedenfalls an Euch. Ihr
wart sehr gut zu den Dienern und habt die Fürstentochter
aufgeheitert, als sie traurig war.«
»Ach das«, winkte Trix ab. »Sie hat sich gelangweilt
und war deshalb traurig. Jetzt sollte sie sich mal einmischen, wo Sator die Macht an sich gerissen hat!«
»Aber es regiert doch Hass«, sagte Tien finster. »Und
der Regent Hass … sorgt sich nicht um Gerechtigkeit.«
»Um die sorgt sich niemand«, brummte Trix. »Gut,
was machst du in meinem Haus, Barde? Versuch mich zu
überzeugen, dass ich nicht die Wache rufe! Du hast zwei
Minuten!«
Klaro fasste Tien an der Hand. »Vielleicht sollten
wir …«, setzte er an.
»Schweig!«, unterbrach Tien ihn. »Edler Trix, verzeiht
uns unser Eindringen. Die Sache ist die, dass ich den Regenten Hass gegen mich aufgebracht habe. Heute hat er
eine Delegation der Vitamanten von den Kristallenen
Inseln empfangen und während der Gespräche war ich
zufällig in der Nähe … Ich verstehe die Sprache der Vitamanten, in der sie sich unterhalten haben …«
»Und?«
»Ich habe erfahren, dass der Regent Hass einen Verrat
plant. Er will die Fürstentochter Tiana, deren Vormund er
ist, dem Oberhaupt der Vitamanten geben, dem Zauberer
Evykait. Dann wird das Fürstentum Hass zufallen und
Evykait zur Herrscherfamilie gehören. Der König ist
nicht mehr jung, und es heißt, dass er keine Kinder haben
kann. Die Erben Evykaits und Tianas würden dann den
Thron für sich beanspruchen.«
»Tiana? Sie ist doch selbst noch ein Kind, das mit
Puppen spielt!«, rief Trix aus. »Obwohl … nein, sie ist
natürlich gewachsen. Trotzdem … wenn die Vitamanten
einen neuen Krieg anfangen … und sich den Thron nehmen … wird Hass auch untergehen. Begreift er das denn
nicht?«
»Er ist alt«, sagte Tien traurig. »Tief in seinem Herzen
ist er vermutlich nicht böse. Aber er will auf keinen Fall
sterben. Und wenn die Vitamanten an der Macht sind und
er ihnen treu dient, kann er noch wer weiß wie lange leben.
Hundert Jahre oder tausend. Evykait ist angeblich über
siebenhundert Jahre alt!«
»Aber das ist Hochverrat!«, presste Trix heraus. »Das
ist der übelste Verrat, den es je gab! Wie kann er nur?
Hass ist doch ein Edelmann!«
»Alle wollen leben«, fiepte Klaro. »Papa sagt oft: Blut
ist rot, sei es das des Aristokraten, sei es das des Bauern.«
Trix wandte sich Ian zu, der bisher kein Wort gesagt
hatte. Sein Knappe starrte ihn mit weit aufgerissenen
Augen an. »Was hast du?«
»Dann … dann stimmt es? Du bist der echte Trix?«
»Bist du wirklich so blöd, Ian? Baron Galan hat mich
doch auch erkannt!«
»Gut … aber der Baron ist schlau. Er hat dich Trix genannt und mich …« Ian wurde rot. »Ich … Eure Durchlaucht! Wenn ich gewusst hätte, dass du der echte Trix
bist, wäre ich nicht weggerannt!«
Trix machte eine wütende Handbewegung und wandte
sich wieder Tien zu. Der wartete geduldig. »Da sitzt du
wirklich in der Tinte, Barde«, sagte er. »Ein einfacher
Mann darf sich nicht in eine Verschwörung einmischen.
Warum hat der Regent dir nicht auf der Stelle die Kehle
aufgeschlitzt?«
»Weil ich da schon weggerannt war. Ich habe dem
Regenten erst einen Becher mit Honigwein über den
Kopf gezogen, dann die Porzellanurne mit der Asche des
großen Ritters Andronas und ihn am Ende noch mit vier
Tellern beschmissen. Die waren aber aus Gold und sind
nicht kaputtgegangen, die haben ihm nur ein paar blaue
Flecke beschert. Der Regent ist in ein Zimmer geflohen
und hat die Tür hinter sich verriegelt. Da, wo ich war,
gab es einen geheimen Gang … in den Garten. Von dem
weiß der Regent nichts.«
»Verstehe.« Trix nickte. »Deshalb sind auf dem Berg
so viele Menschen mit Fackeln … Du hast Glück gehabt.«
»Stimmt«, sagte der Lehrling des Barden. »Hallenberry hat mir geholfen. Du brauchst ihn nicht anzugucken, als
ob er noch ein Baby ist. Er ist ein guter Freund.«
Hallenberry, der sich inzwischen offenbar mit seinem
heldenhaften Namen angefreundet hatte, lächelte, wurde
aber gleich wieder ernst. Nun sahen beide, Tien und Hallenberry, Trix erwartungsvoll an.
Zu wissen, dass von deiner Entscheidung wirklich etwas abhängt, ist immer ein schönes Gefühl. Selbst in jenen glücklichen Zeiten, als Trix der rechtmäßige Erbe
des
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