Lukkas Erbe
Mädchen beim Aufstehen und drehten die Karte seiner Mutter um, sodass nun ihr Foto oben lag.
«Rabenaas weg», sagte er.
Miriam Wagner versuchte zu erfassen, was er gezeigt hatte, und es mit dem zu kombinieren, was er sagte. Wenn Rabenaas der Tod und der Tod weg war, sobald die Feuerwehr erschien …
WARTEN.
An diesem Nachmittag begriff sie noch nicht, welche Vorstellung Ben vom Tod hatte. Aber sie erkannte es, nachdem sie von Bruno Kleu hörte, dass Ben als Kind eine bange Nacht in einem alten Sandpütz verbracht hatte. Bruno war damals einer der Männer gewesen, die sich vor der Feuerwehr darum bemüht hatten, ihn zu bergen.Und Bruno wusste auch, dass die Leiche der jungen Artistin, die Maria und seiner Tochter so verblüffend ähnlich gesehen hatte, höchstwahrscheinlich in diesem Sandpütz verschwunden war.
15. Oktober 1997
Zwei Stunden saß ich mit Patrizia vor den Doppeltüren zum O P-Trakt . Viermal ging ich durch die nahe gelegene Notaufnahme hinaus ins Freie, rief meinen Kollegen an und fragte nach, wie weit die Spurensicherung war.
Schlüssel hatten sie in der Wohnung bei meinem letzten Anruf immer noch nicht gefunden, auch keine Tatwaffe. Die erste Befragung der Nachbarschaft hatte nichts anderes ergeben, als man erwarten konnte. Niemand hatte etwas gesehen oder gehört. Wer arbeitet schon bei Nebel frühmorgens im Garten? Inzwischen war die Sicht gut. Dirk Schumann ließ zwei Polizisten den Garten nach Spuren absuchen, obwohl er sich nichts davon versprach.
«Hier ist keiner rein, Brigitte, hier ist einer raus. Die Frau hat’s im Bad erwischt. Wo ist der Mann?»
Das wusste ich noch nicht. Und obwohl sich Dirks Eindruck mit dem deckte, was ich selbst gesehen hatte, konnte ich es nicht glauben, dachte immerzu an Vanessa Greven und Dorit Prang.
«Wir brauchen einen Hund», sagte ich.
«Blödsinn.» Dirk reagierte ungehalten, als ich zum vierten Mal anrief. «Hier wird niemand vermisst. Auf der Wache liegen keine Anzeigen vor.»
«So war es vor zwei Jahren auch», sagte ich.
«Vor zwei Jahren ist vorbei, Brigitte. Das hier ist eine Beziehungsgeschichte, darauf kannst du wetten.»
Dirk hatte sich nach dem Blutsommer ein ziemlich dickes Fell zugelegt. «Sieh zu, dass du eine Aussage von Frau Rehbach bekommst», sagte er noch.
Ich ging zurück zu Patrizia, versuchte rational zu denken, diese Beklemmung abzuschütteln, das Ticken im Hinterkopf. Ich wollte ihr ein paar Fragen zur Ehe ihres Bruders stellen. Stattdessen erkundigte ich mich nach Vanessa Greven und Dorit Prang.
Patrizia hatte inzwischen eingesehen, dass wir über kurz oder lang in Erfahrung bringen mussten, um wen es sich handelte. Dass sie häufig mit Ben im Atelier gewesen war, ihn auch alleine zu Vanessa Greven geschickt hatte, um einen Arzttermin wahrzunehmen, erwähnte sie nicht. Und mich bei ihr nach Ben zu erkundigen, der Gedanke kam mir nicht, das sagte ich ja schon einmal. Patrizia verschwieg auch, dass Maria Jensen vermutete, Dorit Prang sei auf dem Friedhof etwas zugestoßen. «Frau Prang war in Köln bei ihrem Mann», sagte sie stattdessen. «Danach hat sie keiner mehr gesehen. Vielleicht ist sie gar nicht nach Hause gekommen. Und bei Frau Greven meinen die Leute, sie hätte Herrn Darscheid verlassen, weil er viel älter ist.»
Meinen die Leute. Dass ausgerechnet sie das so flüssig über die Lippen bringen konnte … Sie klammerte sich an Bruno Kleus Versprechen und seine Anweisung: «Wir finden ihn schon. Und dann zeigen wir ihnen den Ben, den wir aus ihm gemacht haben. Und bis wir ihn finden, ist er in den Rüben, seit heute früh.»
Ich weiß nicht, was in ihren Köpfen vorgegangen ist. Hätte Patrizia auch nur einen Ton verlauten lassen, dass sie Ben am vergangenen Abend zuletzt gesehen und nicht den Schimmer einer Ahnung hatte, wo er sich aufhalten könnte, ich hätte sofort alle verfügbaren Streifenwagen auf die Suche nach ihm geschickt.
«Die Leute meinten vor zwei Jahren auch, deine Freundin sei ausgerissen, weil sie Hausarrest hatte, bis wir sieben Monate später ihre Leiche fanden.»
«Aber das war doch Lukka», murmelte sie. «Das war doch ganz etwas ande …»
Mitten im Wort brach sie ab, schaute mit schreckhaft geweiteten Augen zum O P-Trakt . Ein Arzt trat auf den Korridor. Er betrachtete ihren prallen Leib mit einem skeptischen Blick, schaute mich an. «Polizei?» Als ich nickte, winkte er mich zu der Tür, durch die er gerade gekommen war.
«Wie geht es Nicole?», fragte Patrizia mit
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