Lukkas Erbe
erste Gespäch. Bruno Kleu war der Erste, an dem Miriam Wagner ausprobierte, was sie studiert hatte. Er fühlte sich besser danach. Als er ging, riet er ihr dringend, die Grundstücksgrenzen zu sichern, ebenso Fenster und Türen. Jetzt – wo der Mais nicht mehr da war.
Daraufhin beauftragte Miriam eine Gärtnerei aus Lohberg, die schnell wachsenden Zypressen zu pflanzen, die schon bald eine dichte, grüne Wand neben dem Weg bildeten, unüberwindlicher als jede Mauer und jeder Zaun es gewesen wäre. Zusätzlich ließ sie an sämtlichen Fenstern und den Terrassentüren Rollläden einbauen, die elektronisch über eine Zahlenkombination geöffnet und geschlossen wurden. Hinein kam niemand mehr, dem sie die Haustür nicht öffnete.
Bruno kam noch zweimal, erzählte alles über seine Tochter und sein Verhältnis zu Maria. Dann sprach er endlichüber Ben. Dass er keinen Sinn darin sah, eine Antwort aus ihm herauszuprügeln. Zum einen, weil das nicht die richtige Methode war, zum anderen hatte er ihm beigebracht, zurückzuschlagen. Aber für eine Frau wie Miriam, die Psychologie studiert hatte, wissen musste, wie man Leute zum Reden brachte …
Miriam lachte ihn aus. «Entschuldigen Sie, Herr Kleu, er spricht gerade mal sechs Worte. Wie soll ich ihn zum Reden bringen?»
«Ein paar mehr als sechs sind es inzwischen», sagte Bruno. «Und was er nicht sagen kann, zeigt er. Patrizia hat Karteikarten für ihn gemacht. Lesen kann er nicht. Ich denke, er merkt sich die Anordnungen der Buchstaben. Auf jeden Fall findet er Häuser und Kühe inzwischen auch, ohne die Bilder zu sehen, die sind auf der Rückseite.»
«Häuser und Kühe.» Miriam lächelte. «Was ist mit Verzweiflung, mit dem Gefühl, in ein Loch zu fallen und nur mühsam wieder Boden unter die Füße zu bekommen?»
«Es gibt nicht für alles Bildchen», sagte Bruno. «Und ich dachte, das wäre eine reizvolle Aufgabe für Sie. Die Honorarfrage ist kein Problem. Ich bin sicher, dass seine älteste Schwester lieber Sie bezahlt als die Kosten für eine erneute Heimunterbringung, und die müsste man theoretisch ins Auge fassen, wenn man nicht genau weiß, warum er das getan hat, und ihm nicht klar machen kann, was er tun muss, wenn so was nochmal vorkommen sollte.»
Miriam lachte. «Das ist ja wohl kaum zu erwarten. Und ich bin wirklich nicht die richtige Adresse, Herr Kleu. Mir fehlt die entsprechende Ausbildung.»
Dass Ben die Leichen begraben haben sollte oder musste, berührte sie nur am Rande. Es änderte nichts anLukkas Schuld. Und es war eine Sache, mal mit Ben auf der Terrasse zu sitzen. Sich regelmäßig mit ihm zu beschäftigen und Dinge ans Licht zu bringen, die sie so genau gar nicht mehr wissen wollte, war eine ganz andere Sache.
Sie wollte sich nicht den mit Nicoles Hilfe mühsam erkämpften Frieden zerstören lassen, wollte ihre psychologischen Kenntnisse lieber nutzen, um Nicole die Stelle als Haushaltshilfe mit dem besonderen Köder Baby so lange schmackhaft zu machen, bis ihre neue Freundin an gar nichts anderes mehr denken konnte.
Anfang Oktober 96 kündigte Nicole endlich ihre Stelle als Altenpflegerin. Sie hatte sechs Wochen Kündigungsfrist, konnte somit ab Mitte November im Bungalow arbeiten.
Walter Hambloch warnte nachdrücklich. «Überleg dir das gut, Nicole. Natürlich ist es ein reizvolles Angebot, mehr Geld für weniger Arbeit. Aber die Sache hat einen Haken, da bin ich sicher. Eine Putzfrau für die Bude kann sie billiger haben, und sie hätte sich längst darum bemüht, wenn es nur darum ginge. Aber ihr geht es um etwas anderes, ganz bestimmt. Überleg doch mal, sie hat sich an dich rangemacht, als sie hörte, dass du Lukka an dem Sonntagabend noch gesehen hast.»
«Sie hat sich nicht an mich rangemacht», stellte Nicole richtig. «Ich bin ihr ins Auto gefahren.»
«Ja», sagte Walter Hambloch. «Und zur Belohnung kriegst du fünftausend Mark und einen nur zwei Jahre alten Mercedes geschenkt.»
«Geliehen», korrigierte Nicole.
«Werd nicht spitzfindig», sagte Walter. «Das Geld war nicht geliehen. Mit Speck fängt man Mäuse, Nicole. Ihr geht es nur um Lukka. Sie hat schnell begriffen, an welcheLeute sie durch dich herankommt, da halte ich jede Wette. Zuerst hatte sie mich im Visier. Jetzt hat sie Bruno Kleu am Haken, über ihn kriegt sie Ben in die Finger.»
«Sie will Ben nicht in die Finger bekommen», sagte Nicole. Miriam hatte ihr von Bruno Kleus Ansinnen erzählt. «Sie will nur ihre Ruhe.»
«Erzählt sie
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