Lukkas Erbe
zu einem schönen Mann, der nicht auf mein Auto spekuliert und sich nachts vermutlich mit einem Kuss auf die Wange zufrieden gibt. So viel Glück hätte ich bei Walter kaum gehabt.»
«Dass Walter auf dein Auto spekuliert hat, war doch nur ein Scherz», sagte Nicole. Mehr fiel ihr dazu nicht ein.
Miriam lachte noch einmal, fröhlich klang es allerdings nicht. «Aber der Rest war kein Scherz. – Tut mir Leid, wenn Walter sich Hoffnungen gemacht hat, die ich nicht erfüllen kann. Ich habe noch nie mit einem Mann geschlafen und beabsichtige nicht, es jemals zu tun.»
Als sie Nicoles verblüffte und ungläubige Miene sah, fügte sie an: «Auch nicht mit einer Frau, mach dir keine Sorgen. Im Internat hat es mal eine bei mir versucht, sie hat es bitter bereut. Ich mag nicht angefasst werden. Es ist nicht viel da, was ein Mann gerne anfassen möchte. Und auf schockierte oder mitleidige Blicke lege ich keinen Wert.»
«So schlimm, wie du meinst, siehst du gar nicht aus», sagte Nicole. «Ich hab dich schon mal ohne Make-up gesehen und auch in einer kurzen Hose.»
«Ich schätze, du bist auch einiges gewöhnt», meinte Miriam.
Sie waren vom Thema abgekommen. Es war Miriam ganz recht so. Sie war nicht halb so sicher, wie sie sich gab. Der vergangene Samstagnachmittag mit Ben und Bruno hatte eine merkwürdige Stimmung hinterlassen. Bruno hatte Ben erklärt, dass er ab der nächsten Woche zu ihr kommen dürfe, und er hatte so eifrig genickt, sie angelächelt, ihr die Hand hingehalten, um sich zu verabschieden. Und als sie sich nicht überwinden konnte, seine Hand zu nehmen, hatte er es getan. «Fein.»
Miriam erhob sich. «Räum den Tisch ab. Dann überlegen wir, was wir zu Mittag essen. Ich fürchte, ich habe nichts im Haus, was du kochen könntest.»
Nachdem Nicole die Küche aufgeräumt hatte, führte Miriam sie herum, damit sie sich mit allem vertraut machte. Die Fenster mussten geputzt werden, nur wollte sie damit nicht unbedingt beginnen. Es bot sich auch reichlich Auswahl. Haushalt war wirklich nicht Miriams starke Seite.
Aus der Dusche und von den Wasserhähnen mussten Kalkablagerungen entfernt werden. Die Parkettböden in Wohnraum und Arbeitszimmer waren mit einem Schmierfilm überzogen, weil Miriam den falschen Reiniger benutzt hatte. Der Backofen in der Küche war völlig verkrustet.
«Den machst du bitte zuerst», verlangte Miriam. «Die ganze Küche stinkt, wenn ich ihn einschalte. Das Arbeitszimmer kannst du dir vornehmen, wenn du sehr viel Zeit hast. Ich benutze es nicht.»
Im Schlafzimmer waren der Teppichboden, sämtliche Möbel und sogar der Bettüberwurf mit einer dicken Staubschicht überzogen. Es war offensichtlich, dass Miriam in diesem Raum nur den Schrank nutzte, um ihre Garderobe unterzubringen. Zwei von den neuen Sitzelementen im Wohnzimmer ließen sich ausklappen und ergaben ein passables Gästebett.
«Du hast wohl seit März nicht mehr in einem richtigen Bett geschlafen», stellte Nicole fest.
«Ich musste immer auf die Couch, wenn wir bei Lukka übernachtet haben.»
«Hier übernachtest du aber nicht nur, du lebst hier und könntest das Arbeitszimmer zum Schlafzimmer machen. Die Räume sind gleich groß. Und mit einer neuen Einrichtung …»
«Wir werden sehen», sagte sie.
Abgesehen von der Grundreinigung war nicht viel zu tun. Und die konnte Nicole vornehmen, wie sie wollte. Miriam machte ihr keinerlei Vorschriften. Nur die Mahlzeiten wollte sie pünktlich serviert haben, begonnen mit einem üppigen Frühstück um neun Uhr, das sie im Bett auf der Couch einnahm. Miriam händigte ihr einen Hausschlüssel aus und sagte: «Ich lasse mich gerne verwöhnen. Bisher hat das niemand getan.»
Mittagessen um halb eins. Besondere Wünsche für die Mahlzeiten hatte Miriam nicht. «Ich esse alles gern, was ich nicht selbst kochen muss.» Um vier Uhr noch einmal Kaffee und ein Stück Torte oder etwas Gebäck. «Wenn du willst, kannst du danach gehen», sagte Miriam.
Über Mittag fuhren sie nach Lohberg, weil wirklich gar nichts da war, was Nicole hätte kochen oder braten können, nicht mal Eier. Sie aßen beim Italiener eine Kleinigkeit, machten anschließend die Besorgungen für die nächsten Tage.
Erst am späten Montagnachmittag tat Nicole, wozu Miriam sie engagiert hatte: Sie schrubbte den Backofen und entfernte Kalkablagerungen im Bad, bis Miriam sagte: «Heb dir etwas für morgen auf. Wenn du so weitermachst, hast du bald nichts mehr zu tun.»
Als Nicole sich auf den Heimweg
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