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Lullaby (DE)

Lullaby (DE)

Titel: Lullaby (DE) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Palahniuk
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mir ans Ohr halte, und sagt: »Haben Sie das hier in der Morgenausgabe gesehen?«
    Die Anzeige lautet:
    Achtung an alle Erster-Klasse-Passagiere
der Regent-Pacific Airlines
     
    Die Anzeige lautet: »Haben Sie nach Kontakt mit Sitzpolstern, Kissen oder Decken in Flugzeugen dieser Airline unter Haarausfall und/oder Befall mit Filzläusen zu leiden gehabt? Falls ja, rufen Sie bitte die folgende Nummer an, um sich an einer Sammelklage zu beteiligen.«
    Henderson sagt: »Haben Sie das gestern recherchiert?«
    Ich sage, er soll vielleicht einfach den Mund halten und selbst da anrufen.
    Und Henderson sagt: »Sie sind hier der Mann für Sonderbeiträge.« Er sagt: »Wir sind hier nicht im Knast. Ich bin nicht Ihr Laufbursche.«
    Ich fall noch mal tot um.
    Man wird nicht Reporter, weil man gut darin ist, Geheimnisse zu bewahren.
    Journalist sein heißt, Dinge weitererzählen. Schlechte Nachrichten verbreiten. Das Gift verbreiten. Die größte Story aller Zeiten. Die hier könnte das Ende der Massenmedien bedeuten.
    Das Merzlied könnte sich als eine allein dem Informationszeitalter angemessene Seuche erweisen. Man stelle sich eine Welt vor, in der die Menschen alles meiden würden: Fernsehen, Radio, Kino, Internet, Zeitschriften und Zeitungen. Die Leute müssten Ohrstöpsel tragen, so wie sie jetzt Kondome und Latexhandschuhe tragen. In der Vergangenheit hat sich beim Sex mit Fremden niemand sonderlich Sorgen gemacht. Oder noch früher bei Mückenstichen. Oder bei unbehandeltem Trinkwasser. Moskitos. Asbest. Man stelle sich eine Seuche vor, die man sich durch die Ohren holen kann.
    Knüppel und Steine brechen dir die Beine, aber jetzt können auch Worte töten.
    Der neue Tod, diese Seuche, kann von überall her kommen. Ein Song. Eine Lautsprecherdurchsage. Eine Fernsehnachricht. Eine Predigt. Ein Straßenmusiker. Eine Dauerwerbesendung kann den Tod bringen. Ein Lehrer. Eine Internetdatei. Eine Geburtstagskarte. Ein Glücksplätzchen.
    Eine Million Leute sehen sich eine Fernsehshow an, und am nächsten Morgen sind sie tot, weil sie ein Werbejingle gehört haben.
    Man stelle sich die Panik vor.
    Man stelle sich ein neues Mittelalter vor. Forscher und Händler brachten die ersten Seuchen aus China nach Europa. Mit den Massenmedien haben wir jede Menge neue Übertragungswege.
    Man stelle sich vor, wie Bücher verbrannt werden. Und Tonbänder und Filme und Disketten, Radios und Fernsehgeräte, alles wandert auf den Scheiterhaufen. Bibliotheken und Buchhandlungen lodern hell in der Nacht. Man wird die Relaisstationen der Mobilfunkgesellschaften angreifen. Man wird mit Äxten jedes Glasfaserkabel zerhacken.
    Man stelle sich Leute vor, die Gebete sprechen und Kirchenlieder singen, um jegliches Geräusch zu übertönen, das den Tod bringen könnte. Man stelle sich vor, wie sie, die Hände auf die Ohren gepresst, jedes Lied und jede Rede fliehen, worin der Tod ähnlich chiffriert sein könnte wie ein Fläschchen Aspirin, das von einem Verrückten mit Gift versetzt wurde. Jedes neue Wort. Alles, was sie noch nicht kennen, wird verdächtig sein, gefährlich. Gemieden. Kommunikation unter Quarantäne.
    Und wenn das hier ein Todesspruch war, ein Zauber, dann musste es noch andere geben. Wenn ich von Seite 27 weiß, wissen es auch andere. Ich bin auf keinem Gebiet der Erste.
    Wie lange, bis jemand das Merzlied zerlegt und eine Variante davon verfasst, und noch eine, und noch eine? Und jede besser als die vorhergehende. Bevor Oppenheimer die Atombombe erfand, war sie unmöglich. Jetzt haben wir die Atombombe und die Wasserstoffbombe und die Neutronenbombe, und man schlachtet diese eine Idee immer noch weiter aus. Wir werden in ein neues unheimliches Paradigma gezwungen.
    Wenn Duncan tot ist, war er ein notwendiges Opfer. Er war mein atmosphärischer Nukleartest. Er war mein Trinity. Er war mein Hiroshima.
    Trotzdem, Palmer vom Redaktionstisch ist sich sicher, dass Duncan in der Setzerei ist.
    Jenkins von der Setzerei sagt, Duncan ist wahrscheinlich im Feuilleton.
    Hawley vom Feuilleton sagt, er ist im Archiv.
    Schott vom Archiv sagt, Duncan ist am Redaktionstisch.
    Hier bei uns gilt so etwas als Realität.
    Man denke an die Sicherheitsmaßnahmen, die heutzutage auf Flughäfen üblich sind: genauso hart würde in allen Bibliotheken, Schulen, Theatern, Buchläden durchgegriffen werden, wenn das Merzlied in Umlauf käme. Überall, wo Information verbreitet werden kann, stünden bewaffnete Wachen.
    Der Äther wird so leer sein wie ein

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