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Lullaby (DE)

Lullaby (DE)

Titel: Lullaby (DE) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Palahniuk
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entschärft. Die ursprüngliche Auflage war 500 Stück. Davon sind jetzt insgesamt 306 weg, bleiben also noch 194.
    In der Zeitung steht, dass der Mann im schwarzen Ledertrenchcoat, der, der sich an der Kreuzung an mir vorbeigedrängt hatte, monatlich zum Blutspenden gegangen war. Er ist drei Jahre mit dem Friedenscorps in Übersee gewesen und hat dort Brunnen für Leprakranke gegraben. Er hat einen Teil seiner Leber einem Mädchen in Botswana gespendet, das einen giftigen Pilz gegessen hatte. Er hat Aktionsprogramme gegen irgendeine lähmende Krankheit unterstützt, keine Ahnung, wie die hieß.
    Und doch hat er den Tod verdient. Er hat mich Arschloch genannt.
    Er hat mich geschubst!
    In der Zeitung ist ein Foto der Eltern meines Nachbarn von oben, wie sie weinend vor seinem Sarg stehen.
    Und doch war seine Musik viel zu laut, verdammt.
    In der Zeitung steht, ein Covergirl und Model mit Namen Denni D’Testro sei heute Morgen tot in ihrem Loft aufgefunden worden.
    Und aus irgendeinem Grund hoffe ich, dass nicht gerade Nash den Auftrag bekommen hat, die Leiche abzuholen.
    Oyster deutet auf das Radio und sagt: »Bring ihn um, Dad, oder ich glaub dir kein Wort mehr.«
    Ist doch wahr, die ganze Welt besteht aus nichts als Arschlöchern.
    Helen klappt ihr Handy auf und ruft einige Büchereien in Oklahoma und Florida an. Sie macht ein weiteres Exemplar des Gedichtbands in Orlando ausfindig.
    Mona liest uns vor, dass die alten Griechen Tafeln mit Flüchen beschrieben haben und dass die defixiones heißen.
    Die Griechen hatten auch kolossi , Puppen aus Bronze oder Wachs oder Ton, und die spickten sie mit Nägeln, oder sie verbogen und verstümmelten sie, schnitten ihnen den Kopf oder die Hände ab. Sie stopften Haare des Opfers in die Puppe, oder sie schlossen einen Fluch, auf zusammengerollten Papyrus geschrieben, in der Puppe ein.
    Im Louvre gibt es eine ägyptische Figur aus dem zweiten Jahrhundert n. Chr. Eine nackte Frau, Hände und Füße zusammengebunden, Nägel in den Augen, in den Ohren, im Mund, in Brüsten, Händen, Füßen, in Vagina und Anus. Mona kritzelt mit einem orangefarbenen Filzstift in ihrem Buch herum und sagt: »Wer immer diese Puppe gemacht hat, würde dich und Helen wahrscheinlich sehr sympathisch finden.«
    Die Schadenzaubertafeln waren dünne Plättchen aus Blei oder Kupfer, manchmal auch aus Ton. Man bannte mit dem Nagel aus einem Schiffswrack seinen Fluch darauf, dann rollte man die Tafel zusammen und stach einen Nagel hindurch. Beim Schreiben schrieb man die erste Zeile von links nach rechts, die nächste von rechts nach links, die dritte von links nach rechts und so weiter. Wenn es möglich war, wickelte man den Fluch um ein paar Haare oder um einen Kleidungsfetzen des Opfers. Man warf den Fluch in einen See, einen Brunnen oder ins Meer, Hauptsache, er gelangte von dort in die Unterwelt, wo Dämonen ihn lesen konnten, um den Auftrag dann auszuführen.
    Helen telefoniert noch, aber sie drückt das Handy kurz an die Brust und sagt: »Das klingt, als würde man was übers Internet bestellen.«
    Ich zähle 346, zähle 347, zähle 348 ...
    In der griechisch-römischen Literatur, sagt Mona, gibt es Nachthexen und Taghexen. Taghexen sind gut und fürsorglich. Nachthexen wirken im Verborgenen und sind darauf aus, jegliche Zivilisation zu zerstören.
    Mona sagt: »Ihr zwei seid definitiv Nachthexen.«
    Bei diesem Volk, das uns Demokratie und Architektur geschenkt hat, sagt Mona, gehörte Magie zum alltäglichen Leben. Geschäftsleute belegten sich gegenseitig mit Flüchen. Nachbarn verfluchten Nachbarn. Nicht weit vom ursprünglichen Schauplatz der Olympischen Spiele haben Archäologen uralte Brunnen gefunden, angefüllt mit Flüchen, mit denen Sportler ihre Konkurrenten bedachten.
    Mona sagt: »Ich denke mir das nicht aus.«
    Zaubersprüche, mit denen man jemanden in sich verliebt machen wollte, hießen bei den alten Griechen agogai.
    Flüche, die eine Beziehung kaputtmachen sollten, hießen diakopoi.
    Helen spricht lauter in ihr Handy. Sie sagt: »An Ihren Küchenwänden läuft Blut herab? Ja, natürlich sollten Sie damit nicht leben müssen.«
    Und in sein Handy sagt Oyster: »Ich brauche die Nummer der Kleinanzeigenannahme beim Miami Telegraph-Observer .«
    Und das Radio unterbricht alles mit einem Waldhornthema. Und dann ertönt eine tiefe Männerstimme, wozu im Hintergrund ein Fernschreiber rattert.
    »Der mutmaßliche Anführer des größten südamerikanischen Drogenkartells ist in seinem

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