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Lullaby (DE)

Lullaby (DE)

Titel: Lullaby (DE) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Palahniuk
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letzte Dutzend Namen schreibe ich mir auf einen Zettel. Zwischen den Namen hat Helen sich Termine notiert, ihre Schrift ist so schnörklig und vollkommen wie Juwelenschmuck.
    Oyster liegt mit hinterm Kopf verschränkten Händen auf der Rückbank und beobachtet mich. Er hat die Beine übereinander so auf die Lehne des Vordersitzes gelegt, dass mir die nackten Füße vors Gesicht hängen. Ein Silberring am großen Zeh. Schwielen an den Sohlen, graue Schwielen, rissig und schmutzig. Er sagt: »Das wird Mama aber nicht gefallen, dass du in ihrem Privatscheiß rumschnüffelst.«
    Ich blättere vom heutigen Datum rückwärts, gehe drei Jahre mit Namen, mit Hinrichtungen durch, ehe Helen und Mona wieder auf dem Parkplatz erscheinen.
    Oysters Handy piept, er nimmt es und sagt: »Anwaltskanzlei Donner, Diller und Dunes ...«
    Den größten Teil des Buchs habe ich noch nicht gelesen. Jahre, viele Jahre. Und hinten noch ausreichend leere Seiten für viele weitere Jahre, die Helen ausfüllen kann.
    Helen spricht gerade in ihr Handy, als sie an den Wagen kommt. Sie sagt: »Nein, ich möchte den Aquamarin im Stufenschliff aus dem früheren Besitz des Kaisers Zog.«
    Mona steigt hinten ein und sagt: »Habt ihr uns schon vermisst?« Sie sagt: »Wieder ein Merzlied das Klo runtergespült.«
    Und Oyster stemmt die Beine an die Rückbank und sagt »Hat sie blutenden Hautausschlag?« in sein Handy.
    Helen schnippt mit den Fingern, ich solle ihr den Terminkalender geben. Ins Handy sagt sie: »Ja, den zweihundertkarätigen Aquamarin. Rufen Sie Drescher in Genf an.« Sie schlägt den Kalender auf und schreibt einen Namen unter das heutige Datum.
    Mona sagt: »Ich habe nachgedacht.« Sie sagt: »Was meint ihr, könnte in dem ursprünglichen Grimoire nicht ein Zauberspruch zum Fliegen gestanden haben? Das fände ich schön. Oder ein Spruch zum Unsichtbarmachen?« Sie nimmt ihr Spiegelbuch aus dem Rucksack und fängt wieder an, mit ihren Buntstiften darin herumzumalen. Sie sagt: »Ich möchte auch mit den Tieren reden können. Ach ja, und Telekinese, ihr wisst doch, alles so Zeug, was man mit Gedanken machen kann ...«
    Helen lässt den Motor an und sagt in den Rückspiegel: »Ich näh mir gerade den Fisch.«
    Sie steckt Handy und Stift in die Handtasche. Darin befindet sich immer noch der kleine graue Stein, den sie auf Monas Hexenparty bekommen hat. Wo Oyster nackt war. Sein schrumpliger rosa Stalaktit aus Haut, gepierct mit einem kleinen silbernen Ring.
    Mona an jenem Abend, Mulberry, die zwei Muskeln ihres Rückens, und wie sie sich in die zwei festen, cremeweißen Hälften ihres Hintern spalteten, und ich zähle 1, zähle 2, zähle 3 ...
    In der nächsten Kleinstadt, in der nächsten Bücherei, bitte ich Helen und Mona, im Auto zu warten, während Oyster und ich hineingehen, um den Gedichtband ausfindig zu machen.
    Eine Kleinstadtbücherei, mitten am Tag. Die Ausleihe ist besetzt. Die aktuellen Zeitungen liegen in großen festen Schutzumschlägen zum Lesen aus. In der Zeitung von heute wird Gustave Brennan erwähnt. In der von gestern ein durchgeknallter religiöser Führer im Nahen Osten. Vor zwei Tagen ein Hinrichtungskandidat vor seinem letzten Gnadengesuch.
    Jeder in Helens Terminkalender starb an dem Tag, unter dessen Datum er eingetragen ist.
    Dazwischen stehen Artikel über etwas Schlimmeres. Heute Denni D’Testro. Vor drei Tagen Samantha Evian. Vor einer Woche Dot Leine. Alle drei jung, alle drei Models, alle drei tot aufgefunden, ohne erkennbare äußere Ursache. Davor war es Mimi Gonzalez, tot aufgefunden von ihrem Lover, tot im Bett, ohne irgendwelche Spuren. Nichts, bis der heutige Obduktionsbericht etwas von Anzeichen für Geschlechtsverkehr post mortem meldet.
    Nash.
    Helen kommt rein und fragt: »Ich habe Hunger. Was brauchst du so lange?«
    Die Namensliste liegt auf dem Tisch neben mir. Daneben ein Zeitungsartikel mit einem Foto von Gustave Brennan. Vor mir ein Artikel über die Beerdigung eines verurteilten Kinderschänders, den ich ebenfalls in Helens Terminkalender gefunden habe.
    Und Helen übersieht das alles mit einem Blick und sagt: »Dann weißt du ja jetzt Bescheid.«
    Sie setzt sich auf die Tischkante. Die Schenkel spannen den Rock stramm über den Schoß. Sie sagt: »Du wolltest wissen, wie du deine Macht beherrschen kannst. Also, das hier ist meine Art, damit fertig zu werden.«
    Das Geheimnis besteht darin, ein Profi zu werden, sagt sie. Wenn man etwas nur für Geld tut, wird man es kaum noch gratis tun

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