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Lulu

Lulu

Titel: Lulu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Wedekind
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gesegnete Abteilung, von der aus ich meine Spionage organisierte, als sich da die Kunde verbreitete, dass die Schwester Theophila mit Tod abgegangen sei, da war keiner der Kerle im Bett zu halten. Sie kletterten an den Fenstergittern hinauf, und wenn sie ihre Leiden zentnerweise mitschleppten. Im Leben habe ich kein solches Fluchen gehört.
    ALWA
    Erlauben Sie mir, Fräulein von Geschwitz, noch einmal auf meinen Vorschlag zurückzukommen. Die Frau hat in diesem Zimmer meinen Vater erschossen; trotzdem kann ich in dem Morde wie in der Strafe nichts anderes als ein entsetzliches Unglück sehen, das sie betroffen hat. Ich glaube auch, mein Vater hätte, wäre er mit dem Leben davongekommen, seine Hand nicht vollständig von ihr abgezogen. Ob Ihnen Ihr Befreiungsplan gelingen wird, scheint mir immer noch zweifelhaft, obschon ich Sie nicht entmutigen möchte. Aber ich finde keine Worte für die Bewunderung, die mir Ihre Aufopferung, Ihre Tatkraft, Ihre übermenschliche Todesverachtung einflößen. Ich glaube nicht, dass je ein Mann so viel für eine Frau, geschweige denn für einen Freund aufs Spiel gesetzt hat. Ich weiß nicht, Fräulein von Geschwitz, wie reich Sie sind; aber die Ausgaben für diese Bewerkstelligungen müssen Ihre Vermögensverhältnisse zerrüttet haben. Darf ich Ihnen ein Darlehen von zwanzigtausend Mark anbieten, dessen Herbeischaffung in barem Geld für mich mit keinerlei Schwierigkeiten verbunden wäre?
    DIE GESCHWITZ
    Wie wir gejubelt haben, als die Schwester Theophila glücklich
tot
war! Von dem Tage an waren wir ohne Aufsicht. Wir wechselten nach Belieben die Betten. Ich hatte ihr meine Frisur gemacht und ahmte in jedem Laut ihre Stimme nach. Wenn der Professor kam, redete er
sie
per gnädiges Fräulein an und sagte zu mir: »Hier lebt sich’s besser als im Gefängnis!« – Als die Schwester plötzlich ausblieb, sahen wir einander gespannt an; wir beide waren fünf Tage krank; jetzt musste es sich entscheiden. Am nächsten Morgen kam der Assistenzarzt. – »Wie geht es der Schwester Theophila?« – »Tot!« – Wir verständigten uns hinter seinem Rücken, und als er hinaus war, sanken wir uns in die Arme: »Gott sei Dank! Gott sei Dank!« – Welche Mühe es kostete, damit mein Liebling nicht verriet, wie gesund er schon war! – »Du hast neun Jahre Gefängnis vor dir!« rief ich von früh bis spät. – Man lässt sie jetzt auch wohl keine drei Tage mehr in der Isolierbaracke.
    RODRIGO
    Ich habe volle drei Monate im Krankenhaus gelegen, um das Terrain zu sondieren, nachdem ich mir die Qualitäten zu einem so ausgedehnten Aufenthalt auch erst mühsam zusammenhausiert hatte. Jetzt spiele ich hier bei Ihnen, Herr Doktor, den Kammerdiener, damit keine fremde Bedienung ins Haus kommt. Wo hat je ein Bräutigam mehr für seine Braut getan. Meine Vermögensverhältnisse sind auch zerrüttet.
    ALWA
    Wenn es Ihnen gelingt, die Frau zu einer anständigen Künstlerin auszubilden, dann haben Sie sich um Ihre Mitwelt verdient gemacht. Mit dem Temperament und der Schönheit, die sie aus dem Innersten ihrer Natur heraus zu geben hat, kann sie das blasierteste Publikum in Atem halten. Dabei wäre sie durch die Wiedergabe der Leidenschaft davor geschützt, zum zweiten Mal in Wirklichkeit zur Verbrecherin zu werden.
    RODRIGO
    Ich will ihr ihre Zicken schon austreiben!
    DIE GESCHWITZ
    Da kommt er!
    (Auf der Galerie werden Schritte laut; dann teilt sich der Vorhang über der Treppe und SCHIGOLCH im langen schwarzen Gehrock, einen weißen Entoutcas in der Rechten, tritt heraus. Während aller drei Akte ist sein Sprechen von häufigem Gähnen unterbrochen.)
    SCHIGOLCH
    Vermaledeite Finsternis! Draußen brennt einem die Sonne die Augen aus.
    DIE GESCHWITZ (sich mühsam aus der Decke wickelnd)
    Ich komme schon!
    RODRIGO
    Gräfliche Gnaden haben seit drei Tagen kein Tageslicht mehr gesehen. Wir leben hier wie in einer Schnupftabaksdose.
    SCHIGOLCH
    Seit heute früh um neun fahre ich bei allen Lumpensammlern herum. Drei nagelneue Koffer, vollgestopft mit alten Hosen, habe ich über Bremerhaven nach Buenos Aires spediert. Die Beine baumeln mir wie Glockenschwengel am Leib. Das soll von nun an ein anderes Leben werden!
    RODRIGO
    Wo wollt ihr denn morgen früh absteigen?
    SCHIGOLCH
    Hoffentlich nicht gleich wieder im Hotel »Ochsenbutter«!
    RODRIGO
    Ich kann euch ein ausgezeichnetes Hotel empfehlen. Ich wohnte dort mit einer Löwenbändigerin. Die Leute sind geborene Berliner.
    DIE GESCHWITZ (sich im Rohrstuhl

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