Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition)
anstrengende Tage hinter mir und bin todmüde.«
Das
war nicht einmal gelogen.
»Können
wir einfach reingehen, damit ich mich irgendwo setzen und vielleicht ein Glas
Wasser trinken kann? Ich habe sowieso das Gefühl, dass es hier draußen bald
nicht mehr allzu gemütlich sein wird.«
Ich
warf einen demonstrativen Blick gen Himmel, der ganz so wirkte, als würde er
jeden Moment auf uns herabstürzen. Die pechschwarze Wolkendecke schien nur noch
wenige Meter von unseren Köpfen entfernt.
»Natürlich«,
willigte Kiro rasch ein. Wahrscheinlich hätte er dasselbe geantwortet, wenn ich
ihn gebeten hätte, einen Kopfstand zu machen und dabei »Ave Maria« zu singen.
Zusammen
eilten wir, vom dumpfen Grollen und Donnern des aufziehenden Gewitters begleitet,
ins Haus. Als ich durch die Tür trat, spürte ich deutlich Hansens eisigen Blick
auf mir ruhen, der einem versteinerten Wächter gleich im Flur Aufstellung
genommen hatte.
»Du
bist also zurück«, begrüßte er mich in nicht grobem, aber auch alles andere als
freundlichem Tonfall.
Ich
verharrte mitten im Schritt, um Hansen meinerseits durchdringend zu mustern.
»Sieht
ganz so aus«, erwiderte ich kühl. Einen Herzschlag lang starrten wir uns noch
gegenseitig in die Augen, bis Hansen den Blickkontakt nicht länger aufrechterhalten
konnte und sich schnaubend abwandte. Wissend, dass ich als Sieger den Platz
verließ, folgte ich Kiro, der bereits ins Wohnzimmer vorausgegangen war.
Hansen
wirkte skeptisch, vielleicht, weil er spürte, dass ich nicht allein
zurückgekehrt war. Ich fühlte mich hin- und hergerissen zwischen der
widersinnigen Hoffnung, aufzufliegen, und einer noch heftigeren Angst davor.
Wenn er dahinterkommt, zischte es zwischen
meinen Ohren, ist alles verloren. Dann gibt es keine Chance auf Rettung
mehr.
Vor
dem aufmerksamen Reiter auf meinem Rücken vermochte ich keine Gefühlsregung zu
verbergen, eine überaus unangenehme Erfahrung. Noch unangenehmer war
allerdings, dass die körperlose Stimme ein nicht von der Hand zu weisendes
Totschlagargument vorbrachte.
Es
war ein eigenartiges Gefühl, sich mit diesen beiden so vertrauten Menschen
wieder an den mir ebenso vertraut gewordenen Tisch zu setzen, wie ich es all
die vergangenen Wochen über getan hatte. Es herrschte eine warme, angenehme
Atmosphäre im Raum, die unverschämt heimelig auf mich wirkte. Hier fühlte ich
mich … zuhause.
Ich
schluckte laut und deutlich, was ein helles Knacken in meiner Kehle erzeugte.
Unter meiner Zunge schmeckte ich Blut, was mich daran erinnerte, dass ich erst
vor wenigen Minuten von einer noch warmen Leiche genascht hatte. Mit einem Mal
war mir unvorstellbar übel.
»Also
los, Laura«, setzte Kiro das unterbrochene Gespräch augenblicklich fort, als
wir uns alle gesetzt hatten, »spann uns nicht länger auf die Folter. Was ist
passiert, seit du uns verlassen hast? Warum bist du überhaupt fortgegangen?«
»Und
zu wem?«, ergänzte Hansen trocken.
Ich
seufzte leise und fuhr mir mit der Hand fahrig über das Gesicht. Hansens Frage
geflissentlich ignorierend, wandte ich mich an Kiro, dessen Anblick sich
wohltuend auf meine Seele legte wie ein kühles Tuch auf eine brennende Wunde.
Trotz der Umstände tat es gut, ihn wiederzusehen.
»Ich
brauchte einfach … Abstand«, sagte ich. »Von dir. Von Hansen. Von allem hier.«
Ich machte eine weit ausholende Geste, die das gesamte Haus mit einschloss.
»Die letzten Tage, die ich bei euch verbracht habe, waren wie Gift für mich.
Ich habe mich eingeengt gefühlt, ja, fast gefangen. Wenn ich nur einen Tag
länger geblieben wäre, hätte es mich innerlich zerrissen. Zufällig kam jemand
vorbei, der mich mit sich nahm; ich wäre auch dann gegangen, wenn es anders gewesen
wäre.«
Kiro
wirkte bestürzt. »War es so schrecklich, Laura? War es so schlimm, mit uns
zusammenzuleben?«
Ich
sah, dass ihm dieser Gedanke schwer zu schaffen machte, und wollte ihm ein Wort
des Trostes zusprechen. Nachdem ich ihn so lange nicht gesehen hatte, waren all
mein Zorn und meine Bitterkeit Kiro gegenüber verraucht. Doch anstatt das zu
formen, was mein Kopf ihnen befahl, sagten meine Lippen schlicht: »Ja.« Der
Reiter hatte die Zügel straff gezogen.
Betroffen
wich Kiro meinem Blick aus.
»Hast
du Ihn gesehen?«, mischte
Hansen sich ein.
Ich
runzelte die Stirn. »Wie kommen Sie auf die Idee, ich hätte in den vergangenen
Tagen irgendetwas mit Ihrem Lieblingsmagier zu schaffen gehabt?«, fragte ich
schneidend.
»Warum
sollte ich deine
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