Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition)
ich
darum, wieder auf die Beine zu kommen, wurde aber von den flüchtenden Ballbesuchern
förmlich überrannt. Wie prasselnde Hagelkörner trafen mich Absätze am
Hinterkopf, in den Nieren, an den Schultern.
»Laura!
Laura, wo bist du?«
Ich hörte, dass
Kiro nach mir rief, brachte aber nur ein
unartikuliertes Stöhnen hervor, als ich versuchte, ihm zu antworten.
Da wurde ich am
Rückenteil meines Kleides gepackt und hart in die Höhe gezogen. Krampfhaft schnappte
ich nach Luft, hustete den wenigen Sauerstoff, der sich noch in dem Saal befand,
jedoch beinahe sofort wieder aus. Übelkeit breitete sich in meinem Magen aus.
»D-d-d-danke«,
würgte ich hervor, als ich endlich wieder zu Atem gekommen war.
»Dank mir
lieber nicht zu früh«, zischte eine dunkle Stimme.
Entsetzt riss
ich die Augen auf – und starrte in das zu einer hässlichen Fratze verzerrte
Gesicht des Schwarzhaarigen. Seine Hand war nun nicht länger in seiner Tasche,
und das, was darin verborgen gewesen war, drückte unsanft in meine Seite. Ich
wagte es nicht, nach unten zu sehen, doch das musste ich gar nicht, um die
scharfe Klinge des Taschenmessers zu spüren, das den Stoff meines Kleides
ritzte.
Ich holte Luft,
um nach Hilfe zu schreien, doch eine schwere, nach Benzin riechende Hand
presste sich gegen meinen Mund und erstickte jeden Laut.
»Still«,
hauchte der Schwarzhaarige in mein Ohr. Ich konnte seinen heißen Atem am Hals
spüren. »Schsch, ganz still, Kleine. Wir beide werden jetzt eine kleine Reise machen.
Hab keine Angst. Wenn du immer brav das tust, was ich dir sage, passiert dir
nichts.«
Seine
unvorstellbar starken Arme umschlossen meinen Oberkörper und hoben mich ein
Stück über den Boden, um mich fortzutragen – nicht etwa zum Ausgang, sondern in
die genau entgegengesetzte Richtung: zur Treppe, die ins nächste Stockwerk
führte. Ein eisiger Schrecken durchfuhr mich, als mir klar wurde, dass wir dort
oben von den Flammen eingeschlossen werden würden, und schwach begann ich, mit
den Beinen zu strampeln. Die Messerspitze in meiner Hüfte, die nun nicht mehr
nur Stoff ritzte, würgte meine lächerlichen Gegenwehrversuche jedoch rasch ab.
Innerhalb
kürzester Zeit hatte der Schwarzhaarige mich aus dem von Rauch erfüllten Saal
und ins Treppenhaus bugsiert, wo er mich nun die Stufen hinaufzog. Dabei
hechelte er wie ein Tier, und seine Augen blickten so starr und unbeweglich,
dass ich mich fragte, ob überhaupt eine Seele darin wohnte.
Ein Gutes hatte
die Sache zumindest: Ich konnte wieder freier atmen, und auch die Mischung aus
Schwindel und Übelkeit, die mich zuvor befallen hatte, klang allmählich ab. Dafür
war ich mehr als nur dankbar, denn in dieser Situation brauchte ich nichts
dringender als einen klaren Kopf.
Ich fasste mir
ein Herz und sprach den Wahnsinnigen an: »Du warst es, nicht wahr? Du hast das
Feuer gelegt.«
Der
Schwarzhaarige lachte heiser. »Selbstverständlich habe ich das Feuer gelegt.
Irgendwie musste ich doch an dich herankommen, du ausgekochtes Biest.«
»Aber … aber
warum? Was willst du von mir?«
»Das wirst du
schon noch früh genug erfahren. Und nun still. Dein Geplapper stört die Ehrfurcht
des Augenblicks.«
Angesichts
seines messerscharfen Arguments verstummte ich gehorsam und ließ mich in den
nächsten Stock schleppen. Insgeheim betete ich, dass der mysteriöse Kiro wie
durch ein Wunder ein weiteres Mal erscheinen und mein Leben retten würde, doch
tief in meinem Inneren wusste ich, dass solche Zufälle einmalig und nicht wiederholbar
waren – mein Schicksal war endgültig besiegelt.
Der Fremde
packte mich am Oberarm, riss die Tür zu einem der Klassenzimmer auf und stieß
mich grob hinein. »Hinsetzen!«, herrschte er mich an.
Hilflos sah ich
mich um, suchte mit den Augen nach etwas, das ich als Waffe gebrauchen konnte.
» Hinsetzen,
verdammt! «
Wie ein Donnerschlag
war seine Stimme auf mich herniedergefahren, und ich fiel geradezu in den Stuhl
hinter mir. Meine Hände verkrampften sich um die Stuhllehnen, und meine Kiefer
waren so fest aufeinander gepresst, dass es hörbar knirschte. Als der Schwarzhaarige
sich näherte, klebten meine Augen geradezu an dem Messer, das er mit der Spitze
voran auf mich gerichtet hielt.
»Halt!«,
keuchte ich. »Bitte warte!«
Er schien mich
nicht einmal zu hören. Mit steifen Schritten, als wäre er nicht mehr als eine
Marionette, die an den Fäden eines unerfahrenen Puppenspielers tanzte, kam er
näher, seine seelenlosen Augen starr wie
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