Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition)
gewesen war, das diese Veränderung verursacht
hatte, doch in jedem Fall konnte es keinen Zweifel daran geben, dass ich von
hier so schnell wie möglich verschwinden musste.
›Es tut mir
leid‹, sagte ich leise und bewegte mich auf den Polizisten zu.
›Halt‹, keuchte
dieser und wurde leichenblass um die Nase. Plötzlich schien er nicht mehr
sonderlich viel Wert darauf zu legen, dass ich mich ihm näherte. ›Hände hoch!
Ich sagte Hände hoch! Wenn du nicht augenblicklich deine Arme hebst …‹ Seine
Augen wurden groß und färbten sich schwarz vor Furcht.
Der Gestank
nach Schwefel in der Luft wurde übermächtig. In diesem Moment zog der Beamte
den Abzug durch.
Schneller, als
jedes Auge zu folgen vermochte, raste die Kugel auf meinen Brustkorb zu. Ich
blinzelte einmal, und ein stahlharter, unsichtbarer Panzer zog sich über meine
verwundbare Haut. Die Kugel prallte daran wirkungslos ab und surrte als
Querschläger in die Nacht davon.
›Nein! Nein,
das ist unmöglich!‹, jammerte der Polizist. Erneut betätigte er den Abzug,
erneut konnte mir seine Waffe nichts anhaben. Es war erstaunlich, wie
wirkungsvoll die neue Macht war, die ich mir zu eigen gemacht hatte.
›Sie sollten
schleunigst von hier verschwinden‹, riet ich dem Beamten ernst. ›Wenn Sie
länger hierbleiben, werden Sie Ihre Waffe gegen sich selbst richten. Evakuieren
Sie auch all die anderen Bewohner, wenn es Ihnen möglich ist. Hier wird es bald
äußerst ungemütlich werden.‹
›Willst …
willst du mir drohen, du Bestie?‹, presste der Polizist hervor und starrte mich
aus weit aufgerissenen Augen an.
Ich beachtete
ihn gar nicht weiter, sondern verließ zielstrebig die MONDSCHEINGASSE.
Hinter mir ließ
der Beamte seine unbrauchbare Waffe auf die Straße fallen und suchte schreiend
das Weite.
Nur wenige Tage
später war das Gebiet wie ausgestorben. Alle Einwohner waren tot oder geflohen.
Niemals wieder sollte ein Sterblicher diese vom Wahnsinn verätzten Gefilde besiedeln.«
Kapitel VI
Mit der Welt ging
es zu Ende.
Vor
dem Fenster des kleinen, wohnlichen Hauses, das Hansen seit knapp zehn Jahren
sein Eigen nannte, wütete die Apokalypse. Blitze fuhren in rascher Abfolge in
den einstmals gepflegten Rasen seines Gartens, verbrannten Gras, Blumen und
Erde zu Asche. Nur durch den anhaltenden Regen wurde verhindert, dass die
überall schwelende Glut auf die Wände des Hauses übergriff. Immer wieder waren
arme Geistesgestörte vor seinen Türen aufgetaucht, hatten ihre grinsenden
Gesichter an den Fenstern platt gedrückt und wild klopfend Einlass begehrt.
Meist hatten die nicht gerade kostengünstigen Sicherheitsriegel an Fenstern und
Türen, die er in weiser Voraussicht hatte anbringen lassen, als er die von Kiro
und Laura eliminierten Scheiben im Wohnzimmer ersetzt hatte, die Eindringlinge
abgehalten, doch einmal hatte eine hysterisch kreischende Frau ein Fenster mit
einem Kinderwagen – leer, Gott weiß, warum – eingeworfen. Glas splitterte, und
die Frau, in deren Augen der Wahnsinn glomm, kletterte überraschend behände
durch die entstandene Öffnung. Hansen hatte sie getötet, ohne zu zögern. Sein
Geist hatte nach dem ihren gegriffen und sie in einen sanften, ewigen Schlaf
fallen lassen. Diese Art von Magie hatte er schon lange nicht mehr einsetzen
müssen, doch das gehörte zu jenen Dingen, die man niemals verlernte.
Schweigend
hatte der Arzt die Tote unter den Achseln ergriffen und in den Keller
geschleppt, unter den entsetzt starrenden Augen Kiros, der nicht zu begreifen
schien, was mit seiner Welt geschehen war.
Nach
diesem Vorfall hatte Hansen gemeinsam mit dem Jungen einen geistigen
Schutzschild heraufbeschworen, der ihr Heim vor fremden Blicken verbarg. Die
wenigen Verrückten, die noch über ihren Rasen liefen, rannten blindlings an
ihnen vorbei. Wieder einmal hatte es Hansen ein wenig erschreckt, wie mächtig
der Bursche praktisch von selbst geworden war, denn Hansen allein wäre niemals
in der Lage gewesen, eine so effektive Barriere zu erzeugen.
Nun
saß Hansen mit dem Jungen in der Küche. Er hatte eine glimmende Zigarette
zwischen den Fingern, die er immer wieder an die Lippen führte. Seine Hände
zitterten, aber sein Mund war zu einem entschlossenen, geraden Strich verzogen.
Kiro
räusperte sich unbehaglich. »Ich wusste nicht, dass Sie rauchen.«
Es
dauerte eine Weile, ehe Hansen den Kopf in Richtung des Jungen wandte. Er nahm
einen tiefen Zug, hustete einmal hart und bellend und zuckte dann mit
Weitere Kostenlose Bücher