Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition)
den Schultern.
»Tue ich nicht. Zumindest habe ich es schon seit gut zwanzig Jahren nicht mehr
getan. Aber die Gelegenheit scheint mir günstig, es wieder mal zu versuchen.«
»Sie
werden an Lungenkrebs sterben«, sagte Kiro ernst.
Hansen
hob erstaunt die Augenbrauen. Einige Sekunden starrten sich die beiden
schweigend an.
Schließlich
lachten sie gleichzeitig los.
»Junge,
du bist schon in Ordnung«, hustete Hansen und stieß dabei kleine Rauchwölkchen
aus. »Auch einen Zug?«
»Verdammt,
da fragen Sie noch?« Kiro schnappte sich den Glimmstängel und inhalierte heftig.
Wie Hansen vor ihm hustete er trocken. »Ekelhaft.«
»Absolut.«
Hansen nahm ihm die Zigarette ab und drückte sie auf der Tischplatte aus. Dabei
hinterließ die Glut einen widerlichen, verschmierten Fleck auf dem hellen
Eichenholz. Hansen seufzte lange und tief. Derselbe Fleck schien auch auf
seinem makellosen Leben aufgetaucht zu sein.
»Wir
werden sterben, nicht wahr?« Kiro wirkte nicht bedauernd, als er dies sagte. Es
war eine kühle Feststellung.
Hansen
grunzte unwillig. »Noch ist nichts entschieden. So viele Dinge können sich noch
zu unseren Gunsten entscheiden.«
»Ach
ja? Und welche?«
Hansen
schwieg. Er wusste keine Antwort.
Kiro
nickte, als hätte sich seine Annahme bestätigt.
»Seien
wir ehrlich, Hansen. Laura ist fort, und wir wissen beide, wohin sie gegangen
ist. Und sie hat das Buch mitgenommen. Es ist vorbei.«
»Ich
bin mir da nicht so sicher«, lenkte Hansen vorsichtig ein. Er stand auf und
schaltete die Kaffeemaschine ein, die mit einem Rumpeln und Gurgeln zum Leben
erwachte. Er vermisste bereits die widerliche Zigarette, die er voreilig ausgedämmt
hatte. »Vielleicht plant Laura etwas, von dem wir noch nichts ahnen. Sie ist
ein wiffes Mädchen.«
Plötzlich
flackerte das Licht über ihren Köpfen heftig auf. Jammernd soff die
Kaffeemaschine ab und spuckte ein paar einzelne, braune Tropfen in den Becher.
Unmittelbar darauf gab es einen lauten Knall, und die Lampen an der Decke erloschen
vollständig.
Hansen
fluchte. »Heute geht wohl alles schief.«
Er
hörte, wie Kiro sich in der plötzlichen Dunkelheit unbehaglich regte. »Ein
Wunder, dass der Strom so lange durchgehalten hat«, murmelte er.
»Meine
Güte, Junge, dein Optimismus baut mich gerade richtig auf!«
Unsicher
tastete Hansen sich zum Tisch zurück, stieß mit den Händen gegen einen Stuhl
und zog ihn heran, um sich, behutsam wie ein alter Mann, darauf sinken zu
lassen. Ein heftiger Blitz riss die Gestalt des Jungen ihm gegenüber aus der
Finsternis, und Hansen erbebte vor Grauen.
»Andreas!«,
entfuhr es ihm halblaut. In diesem winzigen Sekundenbruchteil war er überzeugt
gewesen, dem Vater des Burschen gegenüberzusitzen.
»Haben
Sie was gesagt?«
»Nein,
nur laut gedacht. Vergiss es einfach.« Hansen presste die Lippen fest zusammen
und tastete beinahe instinktiv nach der heiß pochenden Platzwunde an seiner
Stirn, die ihn wohl mittlerweile Gespenster sehen ließ. Zwar hatte er sie
notdürftig gereinigt und verbunden, aber er war seit vielen Jahren Arzt und
wusste daher, dass dies bei einer solchen Kopfverletzung, die immerhin schwer
genug gewesen war, um ihn für einige Minuten auszuknocken, nicht ausreichte.
Doch da er in seinem Freizeitkeller einiges an Gerümpel sowie eine noch relativ
frische Leiche, aber leider keinen Tomografen hatte, musste die Behandlung
seiner Kriegswunde wohl oder übel noch etwas warten.
»Sie
haben recht, Laura ist nicht dumm«, führte Kiro das unterbrochene Gespräch
fort. Selbst seine Stimme hatte verblüffende Ähnlichkeit mit der Andreas´, wie
Hansen nun mit seinen durch die Dunkelheit sensibilisierten Sinnen feststellte.
»Aber sie ist nicht mehr auf unserer Seite. Dieser verdammte Drecksack hat sie,
und es gibt keine Möglichkeit, sie zurückzugewinnen.«
Mühsam
zwang Hansen sich, diesen befremdlichen Eindruck, seinem alten Freund
gegenüberzusitzen, von sich zu schieben.
»Sie
ist stärker, als du denkst«, gab er zurück. »Weißt du, ich hatte eine Menge
Zeit, über all das nachzudenken. Ich glaube mittlerweile, dass Lauras Entscheidung
die Beste war, die sie hätte treffen können. Versteh mich nicht falsch, ich
wollte sie nicht loswerden, nichts dergleichen. Aber während wir hier sitzen
und uns verschanzen, ist das Mädchen dort draußen und tut etwas, um die Welt zu
beeinflussen, etwas zu verändern. Ob das, was sie tut, zu unseren Gunsten sein
wird, kann ich nicht sagen. Doch etwas ist immer
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