Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition)
bitteres Lachen drang aus
Kiros Brust. »Doch eines Tages … veränderte er sich plötzlich. Wurde
verschlossen. Bei Nacht verschwand er aus der Wohnung und kam nicht vor dem
Morgengrauen zurück. Seine nächtlichen Ausflüge dehnten sich immer mehr aus,
bis er eines Tages nicht mehr heimkehrte. Natürlich machte ich mir Sorgen und
verständigte die Polizei, doch dort wollte man mir nicht so recht weiterhelfen.
Eines Tages jedoch begegnete ich ihm zufällig wieder – und war schockiert. Ich
sprach ihn an, aber er erkannte mich nicht! Natürlich könnte das Show gewesen
sein, aber…« Für einen Moment stockte er, dann schüttelte er energisch den Kopf
und verbesserte sich. »Schwachsinn. Auf diese Art und Weise kann sich kein Mensch
verstellen. Ich bin mit diesem Kerl aufgewachsen, Laura, kenne ihn praktisch
in- und auswendig, aber was ich in seinen Augen gesehen habe, als ich nach ihm
rief … Glaube mir, das ist etwas, das man nicht vortäuschen kann. Ohne mich
weiter zu beachten, setzte er seinen Weg fort. Ich heftete mich an seine
Fersen, ermittelte seinen Unterschlupf und versuchte herauszufinden, was er
trieb.«
»Und
was war das?«, hakte ich nach, als Kiro nicht weitersprach.
Er
richtete sich in seinem Bett auf und öffnete die Augen, um mich durchdringend
anzusehen. »Er stellte dir nach.«
Diese
Neuigkeit erschütterte mich so sehr, dass ich zu keiner Erwiderung fähig war.
Dieser Mann hatte mich verfolgt, vielleicht tagelang, ohne dass ich etwas davon
bemerkt hatte? Der bloße Gedanken daran ließ meinen Körper vor Ekel erbeben,
als hätte mich seine unbemerkte Anwesenheit beschmutzt.
»Ich
kann mich nicht mehr erinnern, wie oft ich ganz knapp davor war, dich
anzusprechen und zu warnen«, murmelte Kiro. Das schlechte Gewissen stand ihm ins
Gesicht geschrieben. »Aber stattdessen wartete ich ab, neugierig auf das, was
kommen würde. Ich war unendlich dumm und naiv, und beinahe hätte ich etwas ganz
und gar Furchtbares geschehen lassen. Verzeih mir.«
Ich
schüttelte den Kopf. »Es gibt keinen Grund, dich bei mir zu entschuldigen. Du
hast mir das Leben gerettet. Zweimal.«
Er
machte eine wegwerfende Handbewegung. »Das war nichts weiter als Zufall.«
»Es
war unglaublich mutig.«
» Es
war fast zu spät! «
Mit
einem Mal war Kiro heftig aufgefahren. Sein Atem ging nun etwas schneller als
gewöhnlich, und in seinen Augen las ich Bitterkeit. »Fast zu spät«, wiederholte
er leiser. »Wenn er dich getötet hätte, dann hätte ich mir das niemals
verziehen.«
Für
einige Zeit tat ich nichts anderes, als betreten auf meine bandagierten Finger
zu starren. Ich war gerührt, wie sehr dieser Fremde sich um mein Schicksal
kümmerte, obwohl er mich nicht einmal wirklich kannte. Dass er sich so sehr
wegen der Taten eines anderen grämte, erschien mir falsch, und zu gerne hätte
ich ihm diese Bürde von der Seele genommen.
»Das
heißt also, du weißt auch nicht, was dieser Kerl von mir will«, murmelte ich
schließlich und hob den Kopf.
»Nein.
Ich weiß nicht viel mehr als du. Wer auch immer dieser Mann war, der dir nachgestellt
hat, meinen Bruder erkenne ich nicht mehr in ihm.«
»Das
klingt grässlich«, sagte ich leise.
Kiros
Schweigen sprach Bände. Nachdem die Stille sich für einige Minuten wie ein grummelndes
Tier zwischen unseren Füßen breit gemacht hatte, schlug Kiro sich entschlossen
auf die Oberschenkel und erhob sich.
»Ich
sollte besser einen Arzt rufen, nun, da du endlich wach bist.«
Wahrscheinlich
hatte er recht, trotzdem spürte ich ein leises Aufwallen von Panik in mir bei
dem Gedanken, dass er mich alleine lassen würde. Ohne es zu bemerken, hatte ich
mich bereits so sehr an seine Nähe gewöhnt, dass sein Fehlen eine schmerzliche
Lücke in meinem Inneren hinterlassen würde.
»Bist
du sicher, dass das nötig ist?«, fragte ich daher mit einem nervösen Lächeln. »Mir
geht es gut, ich brauche keinen Arzt.«
In
Kiros Augen lag Verständnis. »Es wird auch nicht lange dauern, versprochen.
Aber du hattest eine schwere Rauchvergiftung und warst drei Tage ohne
Bewusstsein. Da bräuchte selbst Superman medizinische Versorgung.«
»Haha«,
machte ich humorlos. »Gut, tu, was du tun musst. Aber ich denke gar nicht
daran, mir Blut abzapfen zu lassen!«, rief ich ihm rasch hinterher, bevor Kiro
die Tür hinter sich ins Schloss fallen ließ.
Seufzend
sank ich zurück in mein Kissen. Mit einem Mal spürte ich, wie sehr mich das
lange Gespräch erschöpft hatte, und ein
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