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Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition)

Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition)

Titel: Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Vogltanz
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sich ins
Schloss drückte. In gewisser Weise waren sie wohl nun die Eltern dieses kleinen
Engels, und ihnen würde keine andere Wahl bleiben, als ihn in dem Glauben
aufwachsen zu lassen, dass er ihr eigen Fleisch und Blut war. Eines Tages, wenn
er alt genug war, um zu verstehen, würden sie ihm die Wahrheit sagen, doch bis
dahin sollte er sorglos und glücklich leben, mit lebendigen Eltern, die ihn liebten
und sich um ihn kümmerten.
    Miranda
trug den Kleinen durch den Flur und in das Schlafzimmer, wo sie ihn in sein
Kinderbettchen legte. Sofort streckte er seine Ärmchen nach ihr aus und gab ein
verlangendes Quengeln von sich.
    »Du
willst wohl dein Fläschchen, nicht wahr?«, lächelte sie. Sie beugte sich zu ihm
herab, ließ ihre Hand von seinen winzigen Fingern umfassen.
    »Mama
wird es dir holen, mein Süßer.« Ein warmes Gefühl breitete sich in ihrer Brust
aus, und als sie so auf diesen kleinen Menschen herabblickte, der von nun an ihr
Sohn sein würde, da hatte sie zum ersten Mal seit langer Zeit das Gefühl, dass
doch noch alles gut werden würde. Hier lag sie und klammerte sich an ihr fest, der
treibenden Knospe, die den kommenden Frühling versprach, der Beweis dafür, dass
die Welt sich trotz allem weiterdrehte.
    »Dada«,
brabbelte der Kleine.
    »Ja,
dein Papa ist zuhause«, sagte Miranda. »Sollen wir nachsehen, wo er ist?«
    Sie
wandte sich um und verließ das Zimmer, das glucksende Kleinkind in seinem
Bettchen zurücklassend. Es weinte nicht, als sie hinausging – es hatte noch nie
geweint. Johannes hatte bereits die vorsichtige Befürchtung geäußert, dass
etwas mit dem Kind nicht stimmen könnte, doch das hatte sie strikt von sich
gewiesen. Der Kleine war einfach etwas ganz Besonderes.
    »Johannes?«,
rief sie, als sie auf den Flur hinausgetreten war. »Dein Sohn verlangt nach
dir.«
    Die
Tür zum Wohnzimmer war geschlossen, was sie mit einer leisen Verwunderung
erfüllte. Für gewöhnlich gab es in ihrer Wohnung keine geschlossenen Türen –
wen sollten sie auch aussperren wollen?
    »Johannes?«
    Miranda
öffnete die Tür, spähte ins Zimmer, erneut von Unruhe erfüllt. Da erblickte sie
einen Mann, der ihr den Rücken zuwandte. Er stand vor dem von Büchern
überquellenden Regal, einen alten Folianten in der Hand, durch den er konzentriert
blätterte.
    Für
die Dauer eines Lidzuckens war sie sich sicher, dass dieser Mann ein Fremder
war. In ihrer Kehle stieg bereits ein Schrei empor, sie taumelte einen Schritt
zurück und hielt sich rasch am Türrahmen fest, um nicht zu stürzen.
    Dann
drehte der Besucher sich zu ihr herum, und sie erkannte das vertraute Gesicht ihres
Ehemanns. Verwirrung zeichnete sich darin ab, als er sie erblickte. »Miranda?«
Er lächelte unsicher. »Was ist denn mit dir? Du scheinst so blass.«
    Noch
immer trommelte ihr Herz gegen die Innenseite ihrer Rippen, und es dauerte
einige Atemzüge, ehe sie sich genug in der Gewalt hatte, um eine Antwort zu
formulieren. »Ich … nein, alles in Ordnung. Ich war bloß überrascht, dass du
schon zuhause bist. Ich dachte, du würdest noch mit Viktor sprechen?«
    Johannes
nickte, dann schüttelte er einmal kurz den Kopf. »Ja, das habe ich auch, aber
das Gespräch hat weniger Zeit in Anspruch genommen, als ich dachte.«
    »Trotzdem
verstehe ich nicht, wie du vor mir da sein konntest.«
    Sein
Blick fixierte sie streng. »Hast du etwa einen Umweg genommen? Ich sagte dir doch,
du sollst auf den sicheren Pfaden bleiben!«
    »Ich
… ja. Ja, du hast recht, es tut mir leid.« Eine Welle der Erleichterung
schwappte über Miranda hinweg, als sie diese Worte hörte, der Beweis dafür,
dass sie sich nicht irrte, dass es sich wirklich um Johannes handelte, der da
mit dem Buch in den Händen vor ihr stand.
    »Was
liest du da?«, fragte sie und kam auf ihn zu, um einen Blick über seine
Schulter zu werfen. In einer Bewegung, die wohl natürlich wirken sollte, drehte
Johannes sich zur Seite und klappte den Folianten zu.
    »Das
Buch, das Eloin uns vor einigen Tagen gebracht hat«, antwortete er. »Es ist
voller Rätsel. Vermutlich wird es noch Jahre dauern, ehe ich auch nur einen
Bruchteil seines Inhalts verstehe.«
    Miranda
warf einen Blick auf den Einband aus dunklem, brüchigem Leder, und unvermittelt
fühlte sie, wie eine heftige Abneigung in ihr emporwallte. »Dieses … Ding«,
stieß sie hervor. »Du hättest es nicht behalten dürfen. Es sollte zerstört
werden.«
    »Zerstört?
Dieses letzte Andenken, das uns von Eloin und Andreas geblieben

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