Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition)
Überlieferung zu verstehen, eröffnen sich uns ungeahnte Möglichkeiten.«
In
Hansens Augen leuchtete mit einem Mal das Feuer der Begeisterung. »Was in
diesem Buch geschrieben steht, könnte unsere Rettung sein. Mit seiner Hilfe würde
es uns gelingen, diesen Krieg zu gewinnen. Nicht nur zu überleben – zu gewinnen !«
»Woher
wollen Sie das wissen, wenn Sie das Buch nicht lesen können?«, fragte Kiro zweifelnd.
»Weil
ich es fühlen kann«, gab Hansen erregt zurück. »Ich spüre die Macht, die
dieser Schrift innewohnt, Kiro, und wenn auch nur ein Funken magischen Erbes in
dir steckt, spürst du es auch.«
Kiro
antwortete nicht, doch sein Schweigen war Zustimmung genug.
Hansen
öffnete den Mund, wie um etwas zu sagen, dann schüttelte er bloß den Kopf, als würde
er einen Gedanken vertreiben, und stand mit einem Ruck auf, um das Buch
vorsichtig, als könnte allein die kleinste unvorsichtige Bewegung es zu Staub
zerfallen lassen, in beide Hände zu nehmen. Ein geschlagene Sekunde lang
starrte er auf das unheimliche Symbol auf dem Einband, dann straffte er die
Schultern und ging mit raschen Schritten zu dem zum Bersten mit weiteren
seltsam anmutenden Bänden vollgestopften Bücherregal an der gegenüberliegenden
Zimmerwand.
»Sie
wollen das Buch ungeschützt in ein Regal mitten in Ihrem Wohnzimmer stellen?«,
fragte ich stirnrunzelnd. Nach Hansens glühender Eröffnung von zuvor erschien
mir diese Handlung reichlich naiv und leichtsinnig.
Hansen
warf mir einen giftigen Blick über die Schulter zu und führte die Bewegung, mit
der er den Folianten auf das Regalbrett hatte stellen wollen, mit einem unnötig
heftigen Ruck zu Ende.
»Warum
sollte ich es nicht tun?«, fragte er, als er sich wieder zu uns herumdrehte.
»Niemand weiß von seiner Existenz. Ihr seid die Ersten, mit denen ich mein
Geheimnis teile, und ihr werdet die letzten sein. Vor wem also sollte ich es
verbergen?«
»Ich
dachte, unsere Feinde wären in der Lage, sich anderer Mittel zu bedienen, um an
das zu gelangen, was sie wollen«, erinnerte ich Hansen.
»Das
mag sein«, gab der Arzt ungeduldig zu, »aber solange sie nichts von dem Buch
wissen, werden sie wohl kaum versuchen, es in die Hände zu bekommen. Und nun
genug davon«, fuhr er mit deutlich erhobener Stimme fort, als ich erneut dazu
ansetzte, zu widersprechen. »Ich erinnere mich daran, euch einen Crash-Kurs in die
alte Kunst versprochen zu haben. Seid ihr immer noch interessiert oder ist die
Begeisterung schon abgeflaut?«
Begeisterung
war es nie gewesen, mit der ich Hansens angekündigtem Unterricht
entgegengeblickt hatte; Neugier traf es schon eher. Und vielleicht eine Spur
von Sorge, wenn ich an die Worte zurückdachte, mit denen Hansen uns vor der
Lehre der Magie gewarnt hatte.
Als
weder Kiro noch ich auf die Frage des Arztes einging, fuhr dieser in ernstem
Ton fort. »Ich möchte euch dieses Wissen keineswegs aufzwingen. Haben wir erst
mit den Lektionen angefangen, gibt es kein Zurück mehr, dann folgt eine Aufgabe
der nächsten. Seid ihr euch wirklich sicher, dass ihr das wollt? Ich werde viel
von euch abverlangen, und es wird mir nicht möglich sein, auf euch und eure
Gefühle Rücksicht zu nehmen. Was euch beiden bevorsteht, ist eine knallharte
Ausbildung, nicht nur auf dem Gebiet der Magie. Ihr werdet tief in euch selbst
eindringen, Seiten eurer Person aufdecken, deren Existenz euch bislang nicht bewusst
war. Seid ihr wirklich dazu bereit, diesen Schritt zu wagen?«
Etwas
in Hansens Blick warnte mich, vorschnell und instinktiv mit einem klaren Ja zu
antworten, und auch Kiro zögerte sichtlich. Die Worte des Arztes hatten mich
verunsichert, mehr, als ich mir selbst eingestehen wollte. Nicht zum ersten Mal
spürte ich deutlich, wie ehrlich Hansen seine Warnung meinte, und sah die gute
Absicht dahinter. Jegliche Spur von gespielter Herablassung oder hochmütigen
Spotts war aus seinen Zügen gewichen, und in seinen Augen las ich ehrliche Besorgnis
um uns.
»Wir
haben keine andere Wahl«, sagte ich schließlich. »Wir müssen lernen, wie wir
uns verteidigen können.«
»Wenn
wir jetzt den Kopf in den Sand stecken, sind wir unseren Feinden später
schutzlos ausgeliefert«, pflichtete mir Kiro bei.
Hansen
nickte wohlwollend. »Ich hatte gehofft, dass ihr die Sache so sehen würdet. Ich
kann mich also voll und ganz auf euch verlassen? Auf eure Unterstützung sowie
auf euer kompromissloses Vertrauen mir gegenüber, egal, was auch geschehen
mag?«
Ich
nickte, und nach
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