Luna, Seelengefährtin - mein Hund, das Leben und der Sinn des Seins
Johannes bei ihm zu Hause verabredet, er war nicht da. Schon leicht beunruhigt sperrte ich seine Wohnung auf. Er stand nicht unter der Dusche, keine Nachricht für mich auf dem Küchentisch. Mein Herz begann zu vibrieren. Johannes war sehr zuverlässig, er hielt alle Verabredungen ein. Vielleicht war er im Keller? Nein, da war er nicht, nicht im Speicher und nicht im Garten. Auch keine Spur von Luna, die müsste doch bellen! Mein Handy funktionierte und zeigte keine Nachricht. Da begann ich es zu wissen. Aber es war zu groß, um es zu ertragen. So entfernte ich mich von mir und sah mich selbst durch die Wohnung gehen und hörte mich in der Zukunft über diesen Moment sagen: Als er nicht zu Hause war, da wusste ich es schon. Ich wollte es nicht wissen, doch tief in mir drin gab es die Gewissheit, dass ihm etwas zugestoßen war. Und dem Hund auch.
Ein Todesfall schützt nicht vor einem zweiten, dritten. Wie im Schock legte ich mich steif ins Bett. Ich konnte mich kaum bewegen, atmete flach und wartete, nicht auf Johannes, sondern auf die Nachricht seines Unfalls.
Johannes stürzte dreißig Minuten später außer Atem in die Wohnung. Der Akku seines Handys war leer, und im Wald hatte er einen Platten am Fahrrad gehabt. Mit einem Blick erkannte er meinen Zustand, umarmte mich so fest, dass ich sein Herz spürte, es schlug kräftig und schnell. Ich konnte nicht sprechen. Ich musste erst begreifen, dass er wirklich da war. Dass das kein Wunsch, kein Traum war, das war echt. Ich hatte ihn nicht verloren.
Bis heute ruft Johannes mich an, wenn er sich verspätet. Früher zogen ihn seine Kumpels auf: Du stehst ja ganz schön unter dem Pantoffel. Mittlerweile haben sie es aufgegeben, an Johannes perlt so etwas ab.
Es liegt nicht in unserer Hand. So wenig liegt in unserer Hand. Wie auch das Schicksal des hustenden Hundes, den ich dem Tode näher als dem Leben wähnte, lag nicht in meiner Hand.
In meiner großen Not rief ich Frau Bärmann an.
»Zwingerhusten«, diagnostizierte sie und klang ein wenig schadenfroh. Hatten die Streber wohl mal einen Fehler gemacht. Gegen Zwingerhusten hätte man den Hund impfen lassen können.
»Da kann man nichts machen«, sagte Frau Bärmann. »Das dauert mindestens drei Wochen, prost Mahlzeit.«
Ich rief Johannes an, der mir riet, den Tierarzt anzurufen.
Mit zitternden Händen tippte ich die Nummer. Es war mir bewusst, dass meine Reaktion nicht zu der Situation passte. Ich wusste, dass ich Opfer eines Kurzschlusses war. Zwei Drähte, die nicht zusammenkommen sollten, hatten sich miteinander verbunden, und nun funkte ich wirr durch die Gegend. Leider wusste ich nicht, wie ich mich erden sollte. Gleichzeitig erkannte ich, dass dieser chaotische Funkenflug einen wunderbaren Fortschritt erhellte: Ich hatte mich sehenden Auges in das Vorzimmer eines Verlustes begeben. Nicht nur Johannes konnte sterben, auch Luna, und wenn uns die Sterne gewogen waren, würde sie vor uns sterben, aber erst in vielen, vielen Jahren. Ich hatte mich für sie entschieden, obwohl ich wusste, dass ich mich von ihr würde trennen müssen.
»Es klingt, als hätte sich Ihr Hund erkältet«, sagte die Tier arzthelferin. »Es ist doch ein Labrador, war er vielleicht schwimmen?«
»Ja!« Ich erzählte von unserem ersten Ausflug an den Ammersee. Ein eiskalter Ostwind peitschte das Wasser auf, Luna außer sich vor Begeisterung, biss in die schaumigen Wellenkämme am Ufer. Als eine Spaziergängerin einen Stock ins Wasser warf, sprang sie hinterher und rettete ihn. Fasziniert beobachtete ich sie. Woher wusste sie, wie das geht? Sie warf mir den Stock vor die Füße, und es war klar, was sie von mir jetzt und in aller Zukunft erwartete: Du wirfst, ich bringe.
»Wenn es so kalt ist«, erklärte die Tierarzthelferin, »sollte der Welpe nicht ins Wasser, das hat bestimmt bloß vier oder fünf Grad, wenn überhaupt. Ihre kleine Luna hat ja noch gar kein richtiges Fell. Wenn sie trotzdem mal nass wird, auch im Regen, rubbeln Sie sie ordentlich trocken.«
»Und was mache ich jetzt?«, fragte ich hilflos.
»Behandeln Sie sie wie ein kleines Kind.«
»Wie geht das?«, fragte ich.
Sie lachte »Stellen Sie sich vor, Sie wären erkältet. Geben Sie dem Hund das, was Sie dann auch gern hätten. Wickeln Sie ihn schön warm ein, sorgen Sie dafür, dass er genug trinkt, seien Sie lieb zu ihm und warten Sie ab. Wenn es schlimmer wird, können Sie jederzeit vorbeikommen. Normalerweise ist so eine Erkältung schnell vergessen.«
Ich
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