Luna, Seelengefährtin - mein Hund, das Leben und der Sinn des Seins
Trockenfutter, Knochen oder Körner.
Nachdem mich bereits eine oberflächliche Recherche, wie ich meiner Schutzbefohlenen innerlich und äußerlich Gutes angedeihen lassen konnte, tief verunsichert hatte, beschloss ich, bei Frau Bärmann in der Welpenschule zu bleiben, zumal ich dort, hinter Frau Bärmanns Rücken, mit verschiedenen Meinungen in Berührung kam. Denn viele meiner Mitschülerinnen – die Frauen waren in der Überzahl – hatten Tages freizeit und Kinder und beschäftigten sich sehr wohl mit alternativer Erziehung und Fütterung. Ich spitzte die Ohren und staunte. Woher wissen wir, dass die Futteruntersuchung der Stiftung Warentest wirklich objektiv ist? In Dosen ist doch nur Dreck! Nassfutter führt zu Zahnschäden. Knochen machen krank. Trockenfutter schädigt die Nieren. Blutiges Fleisch macht aggressiv. Knochen bilden die Basis der Hundegesundheit.
Ich schaute meinen hübschen Hundling im lackschwarz glänzenden Fellensemble an und beschloss, alles so zu lassen, wie es war. Ich hatte mich für Abwechslung auf dem Speiseplan entschieden. Würde ich mit immer nur Dose oder immer nur Trockenfutter zufrieden sein? Bestimmt nicht. Also gab es für Luna von Anfang an morgens Dose, abends Trockenfutter. Beides war innerhalb von Sekunden und, ohne gekaut zu werden, ratzeputz weg. Staunend hörte ich, dass andere Fraulis Delikatessen kauften und sie aufwändig zubereiteten, damit die Lena, die Betty, der Leo fraßen, wobei mir das Wort Fressen als Misston in den Ohren gellte bei solch einem Aufwand, der weniger dem Gourmand denn dem Gourmet mundete. Manche schienen regelrecht stolz zu sein auf die Allüren ihrer Hunde, die heikel ihr Futter verweigerten: »Mein Lanzelot ist halt ein Feinschmecker, da kann ich ihm nicht mit Futter von der Stange kommen.«
Wieder einmal war ich froh, in Luna eine so unkomplizierte Gefährtin gefunden zu haben. Bei uns wurde gefressen, was in den Napf kam, und wenn es an einer Stange gewachsen wäre, ließ sie von der auch weder Stumpf noch Stiel übrig. Ich selbst bin ebenfalls nicht heikel, verleibe mir beim Eis in der Tüte die Waffel mit ein und esse fast alles, und das gerne. Von den dreißig empfohlenen Kaubewegungen vor dem Schlucken bin ich Zahnreihen entfernt. Wir harmonierten also auch in unserer Esskultur.
Frau Bärmann fütterte ihre Bestien mit rohem Fleisch und empfahl uns ihren Metzger. Wer bei ihr punkten wollte, kaufte dort; ein weiterer Grund, warum Luna und ich niemals ihre Achtung gewannen. Trotzdem profitierte ich von dem Unter richt. Frau Bärmanns Geduld mit den Vierbeinern, die sie in an Unhöflichkeit grenzender Ungeduld mit den Zweibeinern ausbalancierte, beeindruckte mich. Ihren Umgang mit Sprache schätzte ich sogar. So wie ich den Rotstift bei überflüssigen Wörtern ansetze, in die Sätze wie in Verpackungsmaterial gebettet werden. Füllwörtern wie schließlich, dennoch, ganz, aber, auch, darüber hinaus, nicht wahr, mal, oder, etwa, irgendwie oder irgendwas machen mir Pickel. Frau Bärmann wollte, dass wir unseren Hunden klar und deutlich zu verstehen gaben, was wir von ihnen erwarteten. Auf das Wort und reagierte sie geradezu angriffslustig.
»Warum sagen Sie und hier? Warum sagen Sie und Platz? Wieso verwirren Sie den Hund mit zwei Wörtern, wo eines genügt?«, knurrte sie uns an.
An Bärbel und Babette, einem Lesbenpärchen, biss sich Frau Bärmann die Zähne aus. Bärbel und Babette ließen es nicht dabei bewenden, sich dem Bärmannschen Stil zu widersetzen, sie verwickelten die Hundetrainerin in Diskussionen über das Charisma der Höflichkeit und hörten nicht auf, ihren Rottweiler Elvis mit Schachtelsätzen zu traktieren.
»Elvis, hättest du wohl die große Güte, dich von diesem Ort zu entfernen, denn sieh mal, Elvis, das ist der Platz von Charly, und dich an einen anderen, dir genehmen, der aber nicht schon von einem deiner Freunde besetzt ist, zu begeben, wie wäre es zum Beispiel hier vorne als Korb, was meinst du, Elvis?«
Frau Bärmann schäumte, wenn die beiden sich so ausdrückten. »Wie soll der Hund kapieren, was Sie von ihm wollen?«
Doch Elvis kapierte es, was Babette und Bärbel bestätigte: »Man muss den Hund fordern, um ihn zu fördern.«
Damit kratzten sie an Frau Bärmanns Philosophie, jede Trainerin pflegte ihre eigene, die klang wie die der anderen, was viele jedoch nicht davon abhielt, die der anderen zu verhöhnen. Frau Bärmann bleckte ihre schlechten Zähne. Die Gruppe stöhnte innerlich auf. Wollten
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