Luna, Seelengefährtin - mein Hund, das Leben und der Sinn des Seins
Was bliebe mir denn dann? Luna braucht kein Hättewärewennund dann. Luna ist, glaube ich. Aber vielleicht denkt oder empfindet sie auch: Hätte sie mir einen Nachschlag gegeben, wäre ich jetzt satter. Oder vermenschlicht: Wo ich wohl gelandet wäre, wenn sie mich damals nicht geholt hätte? Aber wenn sie das denkt, dann hätte sie mich nicht ausgesucht. Zu glauben, dass wir füreinander bestimmt sind, ist wunderschön. Irgendwie gehört es zur Liebe dazu, die so oft aus geheimnisvollen Zufällen besteht. Wenn mein Auto an diesem Tag angesprungen wäre, hätte ich nie die U-Bahn genommen und wäre dann nie auf die Idee gekommen, mir eine Breze im Backshop zu holen. Genauso wenig wie du, der an diesem Tag zum ersten Mal in diesem Backshop einen Kaffee trank. All das musste so sein, damit wir uns begegneten. All das musste so sein, damit Luna und ich zusammenfanden. Mensch + Hund = Glück.
Mittlerweile war ich sehr froh, dass meine ständige Begleiterin eine Labradorin war. Durch meine Bekanntschaften beim Gassigehen, für die ich mich nicht ins Zeug legen musste, weil Luna das übernahm, lernte ich einige Hunderassen mit ihren Eigenarten kennen. Ich wusste nun, dass Terrier stur sind, ein Beagle ein Jagdhund mit starkem Trieb ist, der Border Collie Beschäftigung braucht, da er sonst psychisch krank wird, der Spaniel frisst, bis er platzt, Dackel schwer erziehbar sind, Golden Retriever die idealen Familienhunde – wie Labradore. Alles in allem passten Luna und ich perfekt zusammen, denn irgendwie war ich doch auch ein Labrador. Ich bin freundlich, begeisterungsfähig und lösungsorientiert, apportiere für liebe Menschen, was immer sie verlieren, schwimme für mein Leben gerne, und mein Appetit ist groß, wie auch mein Bewegungsdrang. Schon nach wenigen Wochen war ich so zur Hundebesitzerin mutiert, dass es mir nichts mehr ausmachte, wie mein Hund auszusehen, ganz im Gegenteil, ich betrachtete es als Kompliment, und so ist es bis heute geblieben. Luna ist natürlich der schönste Hund der Welt, da kann ich nur gewinnen. Seit einigen Jahren prägt sich ihr Charakter deutlich in ihrem Gesicht. Man sieht, dass sie kein Welpe mehr ist, sie ist ein reifer Hund mit Erfahrung. Früher hätte ich mir nicht träumen lassen, in einem Hundegesicht so viel zu entdecken. Heute schaue ich sie an und weiß, wie es ihr geht. Ob sie übermütig ist oder müde, Hunger oder Kummer hat, weil sie spürt, dass sie gleich allein zu Hause bleiben muss, ob ihr langweilig ist oder sie sich pudelwohl fühlt, ob sie angespannt oder aufmerksam ist. Nicht nur mir wird Ähnlichkeit nachgesagt, auch Johannes. Ich erwidere dann scherz haft: die Figur von Johannes, das Temperament von mir. Aber wahrscheinlich schauen Johannes und ich uns ähnlich, wie so viele Paare, die lang zusammen sind. Man gleicht sich an, und das nicht nur in den Gesichtern, sondern auch in der Körperhaltung. Man wächst zusammen, mit dem Menschen wie mit dem Tier. Und deshalb kommt sein Verlust einer Amputation ohne Narkose gleich.
Als ich noch mit Luna in meinem Hexenhäuschen lebte, erkannte ich staunend, dass dieser kleine Hund die Atmosphäre prägte. Sie war überall spürbar, auch wenn sie unten in der Küche schlief und ich mich oben aufhielt. Ihr Atmen veränderte das Haus. Ich konnte fühlen, dass sie da war, auch wenn ich sie weder hörte noch sah, und manchmal stellte ich mir ihr Fehlen vor, aber in ferner Zukunft. Denn noch immer befanden wir uns im Milchzahnstatus, bis ich das erste kleine Beißerchen auf ihrer Decke fand.
Unser Wir wuchs. Bald war es auch für meine Freundinnen und Freunde selbstverständlich, mich stets in Begleitung des Hundes zu sehen. Was mir im Übrigen gar nicht bewusst war. Erst nach dem Schlangenbiss, als auch meine Freunde über die bevorstehende Trennung von Luna, die viele von ihnen ins Herz geschlossen hatten, nachdachten, hörte ich manches Mal: Du ohne Luna, das ist nicht vorstellbar. Ihr gehört zusammen, ihr seid wie eins.
Im Milchzahnstatus und danach waren wir noch im Verschmelzungsprozess. Und nicht nur von meiner Seite. Mein Ziel war es, mit Luna überall gefahrlos ohne Leine laufen zu können, ob im Wald oder in der Großstadt, und das klappte vortrefflich. Nicht nur ich behielt sie im Visier. Bis heute dreht sie sich um, stellt Blickkontakt her, hält die Verbindung von sich aus aufrecht. Mit Luna war alles genauso, nein noch viel schöner, als ich es mir als Kind gewünscht hatte. Ich und mein Hund. Ein starkes Team.
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