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Luna, Seelengefährtin - mein Hund, das Leben und der Sinn des Seins

Luna, Seelengefährtin - mein Hund, das Leben und der Sinn des Seins

Titel: Luna, Seelengefährtin - mein Hund, das Leben und der Sinn des Seins Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Seul
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»Ohne Hund muss man sich keine blöden Kommentare ihrer zweibeinigen Dolmetscher anhören.«
    Fragend schaute ich ihn an.
    »Na, wenn zum Beispiel ein Rüde die Luna hintenrum beschnüffelt.« Johannes imitierte eine Frauchenstimme: »Ach, die riecht aber lecker, gell.«
    »Das ist Liebe«, widersprach ich. »Man freut sich, wenn der Hund sich freut.«
    Ja, es ist Liebe. Seit Luna ein Jahr alt ist, jogge ich jeden Morgen mit ihr. Jeden Morgen hasse ich es. Ich liege im Bett und denke: Nein. Dann stehe ich auf, ziehe mir die Joggingklamotten an und laufe los, von Montag bis Freitag. Ausnahme: Starkregen oder Schneeverwehungen. Sobald ich das Haus verlassen habe, wird es besser. Ich laufe dann noch immer nicht gerne, aber jetzt bin ich ja schon mal dabei. Luna an der Straße eng neben mir, wenn wir auf den Feldweg abbiegen, sehe ich sie oft nicht mehr. Ich laufe am liebsten im Dunkeln los und immer ohne Lampe, der Mond weist mir den Weg oder die Morgendämmerung, die gelblich grau den Himmel aufbricht. Den Weg ahne ich je nach Jahreszeit und Lichtverhältnissen mehr, als ich ihn sehe. Im Wald ist es so dunkel, dass man die Hand vor Augen nicht sieht. Ich probiere das im mer wieder aus, weil es mich fasziniert, reiße sogar die Augen auf, wedle mit meiner Hand vor dem Gesicht herum: nichts. Es ist wahr. Schriftsteller lügen nicht: Sie konnte die Hand nicht vor Augen sehen.
    Im Wald steigert sich Lunas Wedeln. Der erste Höhepunkt des Tages naht, der Grund, warum wir das Haus verlassen haben. Wir müssen einen Stock aus dem Wald pflücken. Sobald ich sie beauftrage: »Bring mir ’nen Stock«, rast sie los, die Schnauze am Boden, nimmt hier einen auf, lässt ihn fallen, sucht einen anderen, schleppt schließlich den dicksten, schwersten an, den sie finden kann. Vorsichtig werfe ich. Einen Hexenschuss holt man sich schnell mal, ich spreche aus Erfahrung. Luna sucht, Luna findet. Zuweilen halte ich ihr beim Werfen die Augen zu, das ist noch spannender. Manchmal verlange ich ihr ein paar Kunststücke ab, damit sie im Training bleibt. Sie muss warten, Slalom gehen, die Jagd stoppen. Irgendwann sage ich: »Basta«, und Luna läuft mit dem Stock voraus, dem zweiten Höhepunkt des neuen Tages entgegen: ihrem Napf. Morgen für Morgen lege ich Lunas Beitrag zur Energieversorgung auf einen Stapel, im Winter schüren wir den Kamin mit ihrer Beute an.
    »Ohne Luna würde ich nicht joggen«, sagte ich zu Johannes.
    »Ohne Luna wären wir bei diesem Sauwetter niemals draußen«, erwiderte Johannes.
    »Gib dem Menschen einen Hund, und seine Seele wird gesund«, zitierte ich Hildegard von Bingen.

Niemandsland
    L una trocknet überhaupt nicht mehr. Sie schwimmt oder steht mindestens bis zum Bauch im Wasser, taucht nach Steinen und brüllt uns mit Blicken an, dass wir was reinwerfen sollen. Stöcke und Bälle werden nur widerwillig akzeptiert. Neuerdings hat sie sich auf Steine spezialisiert. Dazu sind wir doch wohl da, damit wir Steine ins Wasser werfen, die sie rausholt und – noch lieber – in der Luft fängt. Seufzend suchen wir kleinere Steine und werfen sie so, dass sie sich nicht verletzen kann. Wenn sie merkt, dass sie bei uns auf Granit beißt, sucht sie sich andere Opfer, darin hat sie es zu einer Meisterschaft gebracht. Kleinen Kindern rückt sie nie auf den Pelz, bei größeren zeigt sie deutlich, was sie will, sogar Menschen, die Hunde eigentlich nicht mögen, bringt sie dazu, von ihrem Liegestuhl aufzustehen und mit ihr zu spielen. Für jeden hat sie eine Taktik. Mal schaut sie nur, wedelt verhalten, beim geringsten Zeichen, dass ihre Signale angekommen sind, wedelt sie stärker, je nach Selbstbewusstsein des potenziellen Spielgefährten rückt sie ihm dann auf die Pelle oder wartet noch ab, lässt sich streicheln oder stupst ihn an, hält Abstand und starrt. Früher hätte ich ein solches Verhalten unterbunden. Der Mensch soll seinen Hund »bewegen«, nicht umgekehrt. Ein Mensch, der ständig auf seinen Hund reagiert, ist kein Rudelführer. Doch nun, im Angesicht der Zeit, die uns noch bleibt, ein Sommer oder zwei, vielleicht, hoffentlich sogar drei, werde ich nachlässig. Zum Balljunkie wird sie jetzt auch nicht mehr. Da haben wir immer gut aufgepasst. Luna ist alt, und ich bin milde. Und ich schaue ihr gern dabei zu, wie sie andere manipuliert. Im Grunde setzt sie um, was ich in meiner Coachingausbildung lernte. Versetz dich in dein Gegenüber hinein und bring es dazu, das zu tun, was du willst, wobei es das Gefühl

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