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Luna, Seelengefährtin - mein Hund, das Leben und der Sinn des Seins

Luna, Seelengefährtin - mein Hund, das Leben und der Sinn des Seins

Titel: Luna, Seelengefährtin - mein Hund, das Leben und der Sinn des Seins Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Seul
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hat, zu tun, was es selbst will. Johannes findet, Luna belästigt andere, und pfeift sie zurück, ich nenne sie Botschafterin. Oft schon hat Luna Hundegegner in Hundefreunde verwandelt, die dann neugierig fragten: Wie heißt sie denn? Und uns wissen ließen: Das ist ja so ein lieber Hund. Unvergessen ist mir das zirka zehnjährige Mädchen, das, nachdem es Lunas Namen erfahren hatte, wissen wollte: Und wie heißt die Luna mit Nachnamen?
    Johannes surft, und ich lasse Luna freien Lauf. Schnell freundet sie sich mit zwei Jungs an, die ihr unermüdlich Stöcke ins Wasser werfen. Steine habe ich verboten, denn ich traue ihnen keine schonende Wurftechnik zu. Leider werden die Jungs von ihren Eltern bald zum Wandern verdonnert, und ich bin allein mit der vierbeinigen Nervensäge.
    Nur einmal, denke ich, dann werfe ich noch zweimal und lese weiter. Irgendwann drehe ich mich um, da liegt sie auf der Seite und schläft wie in Ohnmacht gefallen, ihre Pfoten zucken im Traum, sie schwimmt noch immer und jagt Eidechsen hinterher.
    Eine Weile beobachte ich sie und hoffe, sie schläft recht lang, damit ich mein Buch zu Ende lesen kann. Dann merke ich, was ich da gedacht habe. Interessant: Wir sind in der Normalität angekommen. Luna nervt! Der Ausnahmezustand ist beendet!
    Ich werde mich nie wieder über Kleinigkeiten aufregen, war ich mir nach Leanders Tod sicher. Ich werde nie wieder nervös sein, dachte ich, als ich kurz nach seinem Tod eine Lesung hielt, die ich wie in Trance hinter mich brachte. Was soll mir noch passieren, jetzt, wo das Allerschlimmste über mein Leben hereingebrochen ist? Nein, es gab immer eine Steigerung. Wenn wir Kinder gehabt hätten und Leander mit den Kindern bei einem Autounfall ums Leben gekommen wäre. Es geht immer noch schlimmer, wie ich in der Trauergruppe lernte, die ich eine Weile besuchte. Dort wurde nicht nur Trübsal geblasen, ich erinnere mich an manche schmerzhaften Lachkrämpfe. Wir waren unter uns, wir sprachen alles aus und oft mit deftigem Galgenhumor.
    Brandverletzungen tun nur an den Rändern weh. Wo die Haut verbrannt ist, sind auch die Nerven verbrannt, da spürt man nichts mehr. Das Problem sind die Ränder, die Übergänge.
    Vom abgestorbenen auf das lebendige Gebiet. So ist es auch im Leben.
    Selbst ein Urlaub ist ein Übergang. Ein Niemandsland, schönes Wort. »Und jetzt fahren wir durch das Niemands land«, kündigte mein Vater regelmäßig an, wenn wir in den Pfingstferien nach Italien reisten und an drei Grenzen unsere Pässe vorzeigten: bei den Deutschen, den Österreichern, den Italienern.
    »Da könnten wir doch wohnen, Papa?«
    »Da wohnt niemand.«
    »Wir könnten ein Haus bauen.«
    »Das geht nicht.«
    »Aber wenn das Land niemandem gehört!«
    »Dann gehört es niemandem.«
    »Aber wer ist niemand?«
    »Wir alle.«
    Darüber musste ich sehr lange nachdenken und fand je nach Lebensalter andere Erklärungen.
    Was ja wiederum das Tolle im Alter ist, dass man sich dieselbe Welt immer wieder anders erklärt, weil man sich ständig verändert, stets neue Blickwinkel entdeckt, die man dann aber der Welt zuschreibt: Früher war das anders. »Früher war ich anders« wäre zutreffender. Irgendwo habe ich einmal gelesen, dass um das 46. Lebensjahr herum eine Wende eintreten soll. Man kennt diese Schlüsseldaten – die ersten Zähne, das erste Schamhaar, das letzte Kopfhaar. Mit 46 sollte man das Leben genießen und wertschätzen können – vorausgesetzt, man hat alle Stufen vorher vorschriftsgemäß durchlaufen. Mit 46 beginnt man nämlich, nicht mehr das, was man gerne möchte, wohin man strebt, in den Fokus zu stellen, sondern das, was man erreicht hat. Im Übrigen eine ziemlich gesunde Betrachtungsweise, bewahrt sie doch vor allzu hohen Luftsprüngen, bei deren Landung man sich den Knöchel verstauchen könnte. Was man mit 46 auch weiß. Mit 16 und 26 verstauchen sich nur andere die Knöchel, da ist man nämlich noch unsterblich. Schade, dass Blüte von Körper und Kopf so gar nicht zusammenpassen wollen, aber auch ein Trost. Da hat man noch was für später. Das Schöne erkennen und dankbar sein – dafür ist ein Hund ein großartiger Lehrmeister.

Gassi in der Gegenwart
    M it Luna laufe ich an den Klippen entlang in die Bucht, wo Johannes surft. Tapp-tapp-tapp, Lunas Pfoten auf den Steinen. Ich spüre meine Füße auf den Felsen und Sand zwischen den Zehen. »Urlaub, Luna«, rufe ich ihr zu, als würde ich selbst jetzt erst dort ankommen, obwohl wir schon über eine

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