Luna, Seelengefährtin - mein Hund, das Leben und der Sinn des Seins
»Na also. Das weiß ich doch, dass mein Molly das nicht will. Mein Molly will sein Frauchen glücklich machen, gell, mein Molly? Also wirst du nun?«, ihr Tonfall verlor an Geschmeidigkeit und Höhe, rutschte ab in ein Knurren zwischen zusammengebissenen Zähnen … Der Platzwart zog mich weiter: »Molly hat gerade eine schwierige Phase.«
Molly?, dachte ich.
Leroy, ein Border Collie, sollte sein Frauchen bloß nicht blamieren. »Du weißt selbst, worauf es ankommt.« Klar, als Border Collie wusste er es.
Penny hatte keine Lust mehr. Die kniehohe hellbraune Mischung mit dem niedlichen Schlappohr wälzte sich grunzend im Gras. Ihr Frauchen ruckte an der Leine. »Jetzt hör mir mal gut zu!« Ich spitzte die Ohren. »Wenn du dich jetzt nicht zusammenreißt, dann gibt es kein Leckerli, und heute Abend wird nicht mehr gespielt, hast du das verstanden?«
Penny quittierte den Erpressungsversuch mit einem Gähnen. Ich gähnte auch mal, um mein Grinsen zu verbergen. Viel Unterschied zur Kindererziehung schien hier nicht zu bestehen: Erpressung, Bestechung, Drohungen, schlechtes Gewissen reindrücken, an die Vernunft und den guten Willen appellieren. Was zu meiner Zeit mit Hausarrest und Fernsehverbot geahndet wurde, heißt heute: Zimmer verlassen, raus an die frische Luft, Handy und Computer weg.
Auch beim Agility gab es eine Clubhütte, da saßen zwei Frauen bei Kaffee und Muffins. »Eine bringt immer Kuchen für alle mit«, wurde ich eingewiesen, und der anderen erzählte sie, dass sie es unmöglich von ihrem neuen Freund fände, dass er den Hund aus dem Bett geschubst habe. Sagt der doch glatt: »Ein Hund hat im Bett nichts zu suchen!«
»Ts, ts, ts«, schüttelte die andere den Kopf.
»Da habe ich ihm aber Bescheid gestoßen. Dass der Hund nämlich vor ihm da war!« Sie kreuzte die Arme vor der Brust.
»Und?«, fragte die andere.
»Du, lieber keinen Mann als einen, der mir den Hund im Bett madig macht.«
»Klar.«
»Da ist der Ben doch dran gewöhnt. Wie soll der das verstehen, dass der plötzlich draußen bleiben muss?«
»Ne, ne, das kannst du nicht bringen.«
»Eben. Und, weißt du, was?« Sie beugte sich vor und sagte leise etwas. Dann warfen beide ihre Köpfe in die Nacken, entblößten weiße Kehlen mit Ringen dran, und für einen Sekundenbruchteil glaubte ich, gelbliche Fangzähne aufblitzen zu sehen im milden Oktoberlicht.
»Gemma?«, fragte ich Luna.
Blitzartig sprang sie auf und zog mich zum Tor.
Nach meinem Bericht, den ich nur ein kleines bisschen über trieb, gerade so viel, wie Schriftsteller, die eine gute Story haben, übertreiben, beschlossen Johannes und ich, dass wir kei nen Hundeverein brauchten. Wir konnten Luna auch zu zweit fordern. Nach dem Schlangenbiss knüpften wir an unsere Abenteuerspaziergänge von früher an. Sie waren nicht immer toll. Auch Luna wäre manchmal lieber zu Hause geblieben, eingedenk zweibeinerischer Redensarten: Bei so einem Wetter schickt man keinen Hund auf die Straße. Unerbittlich liefen wir zu dritt los. Niemals haben wir ein Gassi wegen des Wetters ausfallen lassen.
Einmal, der Regen rann uns längst in die Jackenkrägen, zählten wir auf, was wir ohne Luna alles tun könnten.
»Wir würden bei so einem Sauwetter nicht aus dem Haus gehen«, stellte Johannes als Erstes fest.
Aber da wir jetzt schon mal draußen waren, fand ich es gar nicht mehr schlimm. Anstrengend ist nur die Überwindung rauszugehen. Draußen ist es eigentlich immer schön. Tropfen, die von den Blättern rinnen, die Farben, die Luft – und das herrliche Heimkommen ins Warme, runter mit den klammen Klamotten und einen heißen Tee, nach dem Gassi ist es drinnen noch viel gemütlicher als vorher. Aber ohne Hund … da würden wir morgens länger schlafen oder im Bett bleiben, wir würden weniger putzen und öfter verreisen, die Autos wären sauberer, die Schuhe auch, und wir hätten viel mehr Zeit.
»Und wozu?«, fragte Johannes.
»Ich würde mehr lesen und meine Freunde nicht nur zum Gassi treffen, ich würde …«
»Ja?«, fragte Johannes.
Ich war sicher, mir würde so viel einfallen, dass diese Stockung nur ein kleiner Stau wäre, die tollen Sachen, die man ohne Hund machen kann, hätten sich sozusagen an der Pforte meines Mundes verkeilt. Aber … da war nichts. Mir fiel nichts ein. Auch Johannes fiel nichts ein. Er sagte: »Wir sind schon so auf den Hund gekommen, dass wir gar nicht mehr wissen, wie schön das Leben ohne Hund ist.« Aber dann nannte er doch einen Vorteil:
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