Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 02 - Ein plötzlicher Tod
hinter dem Tresen sehen. Ein Auto stand im Leerlauf davor. Ansonsten war keine Menschenseele zu sehen. Sie überquerte die Straße und bog in die erste Querstraße ein, sah von dort schon die Fassade des großen Patrizierhauses, in dem Johan und sie ein Stück die Straße hinauf wohnten.
Sie beeilte sich, wollte in die Wärme kommen. Die Kälte drang durch ihre wollene Hose und die dicken Stiefel. Ihre Lippen waren spröde, aber sie mochte jetzt keinen Labello mehr herausholen. Sie zog einen Handschuh aus und tippte den Türcode ein. Das leise Klickgeräusch war zu hören, und sie drückte die Eichentür auf, die hinter ihr schwer wieder ins Schloss fiel. Zwei Kinderwagen versperrten fast den Eingang. Sie trampelte den Schnee ab, stieg in den Fahrstuhl, schob das Eisengitter zu und drückte auf den dritten Stock. Genau in dem Moment, als sie das Eisengitter wieder hinter sich zugezogen hatte und den Fahrstuhl nach unten schickte, ging das Licht im Treppenhaus aus. Sie drückte nicht noch einmal auf den Knopf, ging stattdessen mit schlafwandlerischer Sicherheit die drei Stufen zu ihrer eigenen Wohnungstür hinauf. Sie legte eine Hand auf die Klinke und drückte sie hinunter, bereit, Johan ein fröhliches Hallo zuzurufen. Sie schluckte den Gruß hinunter. Die Tür war verschlossen.
Vielleicht musste er noch was besorgen, kaufte in letzter Minute beim Türken etwas ein? Etwas, das zum Essen noch fehlte.
Die Schlüssel lagen ganz unten im Beutel. Sie wühlte mit verfrorenen, steifen Fingern darin herum, bis sie sie endlich fand, steckte den Schlüssel ins Schloss, drehte ihn herum und trat in einen dunklen Flur. Der gelbe Lichtkegel der Nachttischlampen aus dem Schlafzimmer zeichnete sich auf dem Wohnzimmerteppich ab. Sie schaltete das Licht im Flur an und fühlte sich von der Stille und Dunkelheit ganz entmutigt. Außerdem knurrte ihr Magen, und sie hatte damit gerechnet, dass das Essen fertig sein würde.
»Johan«, rief sie laut, obwohl sie doch wusste, dass er nicht zu Hause war, und sie bekam ganz richtig auch keine Antwort. Nur Schweigen.
Der Schneepflug war draußen zu hören. Er kam bestimmt gleich!
Sie legte ab und ging in die Küche, knipste die Deckenlampe an, stellte die Tüte mit den Büchern auf den Küchentisch und blätterte die Post durch, die er auf die Anrichte gelegt hatte. Nichts Interessantes!
Dann musste sie wohl anfangen zu kochen, aber es gab nichts im Kühlschrank, woraus sie ein Essen hätte zaubern können, nicht einmal, wenn sie der häusliche Typ gewesen wäre, der noch auf einem Stein eine Suppe kocht.
Wut stieg in ihr auf. Er konnte sich doch bitte schön verdammt noch mal zusammenreißen und zumindest einkaufen. Sauermilch, ein Liter Milch, eine Flasche Ketchup, ein Glas Gewürzgurken, eine rote Paprika, ein Paket Margarine, das war alles. Das kapierte ja wohl jeder Idiot, dass man mit so einem jämmerlichen Vorrat nicht sehr weit kam. Und trotz allem hatte er schließlich den ganzen Tag über Zeit. Auch wenn es ihm schlecht ging und er aus dem Gleis gekommen war, war das noch lange keine Entschuldigung. Mal musste er ja wohl auch endlich den ganzen Mist hinter sich lassen und von vorn anfangen und sich nicht immer weiter bemitleiden und in den widerlichen Gemeinheiten der anderen herumsuhlen. Schließlich wurden überall Ärzte gebraucht. Das Allgemeine Krankenhaus war offensichtlich ein ziemliches Rattenloch, da gab es keinen Grund, dem eine Träne nachzuweinen, aber er konnte doch wohl woanders arbeiten. Zwei Ambulanzen hatten angerufen und ihm einen Job angeboten. Aber er wollte nicht. Er wollte gar nichts.
Die Wut wurde stärker. Sie war nicht in der Stimmung zu improvisieren. Der Türke hatte ein umfangreiches Notsortiment, aber sie hatte keine Lust, sich wieder anzuziehen und noch einmal hinauszugehen. Spaghetti hatten sie jedenfalls, das sah sie, als sie die Schrankklappe über dem Kühlschrank öffnete, und eine Dose Muscheln stand auf dem Regal in der Speisekammer. Spaghetti mit Muschelsoße, das musste reichen. Sie holte Töpfe hervor, setzte das Spaghettiwasser auf, nahm Milch und Mehl heraus, und während sie in der Küche beschäftigt war, wurde sie langsam etwas ruhiger. Er wird bestimmt gleich kommen, dachte sie, konnte ihre Unruhe aber nicht ganz wegschieben.
Nicht einmal eine telefonische Nachricht oder ein Zettel. Sie hatten sich immer sehr nahe gestanden, waren wie Zwillingsseelen. Er war ihre andere Hälfte, sie seine, und so war es immer schon gewesen.
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