Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 02 - Ein plötzlicher Tod
Gunilla immer, wenn es mit ihren vier Söhnen, der eigenen Arbeit und den Verpflichtungen ihres Mannes Markus zu viel wurde. Erst jetzt verstand er sie wirklich. So langsam.
Er dachte häufiger tagsüber an Klara, an sein Mädchen, und jedes Mal spürte er, wie etwas in ihm dahinschmolz, während er gleichzeitig leicht unruhig wurde. Ob sie sich wohl verändert hatte? Er wollte keinen Schritt in ihrer Entwicklung versäumen. Ach, Kinder werden sich doch wohl nicht im Laufe von ein paar Tagen verändern, dachte er dann, aber vielleicht vergisst sie mich ja? Das wäre noch schlimmer. Vielleicht würde sie schreien, statt sich zu beruhigen, wenn er sie aus dem Bettchen hochnahm? Jetzt war sie ja in erster Linie mit Veronika zusammen, und vielleicht wurde es mit Klara wie mit vielen anderen Kindern, die er gesehen hatte, bei denen zum Schluss nur noch die Mama zählte. Aber er dachte gar nicht daran, sich damit zufrieden zu geben. Er sah Kollegen und andere Männer aus seiner Umgebung vor sich, die ihre Kinder wie hoffnungsvolle Herrchen lockten: »Komm zu Papa, komm zu Papa«, und das Kind kehrte ihnen nur den Rücken zu und flüchtete sich in Mamas Schoß, kletterte ihr auf die Knie, klammerte sich an ihr fest, das Gesicht hart an ihre Brust gepresst. Als wäre der Papa der Teufel in Person.
Er würde schon zusehen, dass er seinen Anteil bekam, seine bescheidene Portion von Klara, und da Veronika den ganzen Tag für sich hatte, musste er versuchen, sich die Abende zu erkaufen. Was sicher leichter werden würde, wenn sie aufhörte zu stillen.
Er wusste, dass es gut war zu stillen, aber er sehnte das Ende dieser Phase herbei. Natürlich hütete er sich davor, das laut zu sagen, schließlich war Veronika Ärztin. Er wollte keine Gardinenpredigt riskieren. Selbst er wusste, dass Stillen vom ernährungswissenschaftlichen Standpunkt hervorragend war und auch sonst nur Vorteile hatte: Schutz gegen Infektionen und spätere Allergien. Die Psychologen hatten dazu sicher auch noch einiges zu sagen. Aber mein Gott, schließlich lebten sie in einer modernen Gesellschaft!
Er stand auf und schloss das Fenster, ging auf den Flur hinaus und holte sich eine Tasse Kaffee. Nicht schwarz, sondern mit Milch, da sein Magen leer war. Lundin wollte noch vorbeikommen, also würde Claesson auf ihn warten.
Ein bisschen graute ihm auch vor zu Hause, da er sich gezwungen sah, dort etwas Sinnvolles zu tun: sich das nächste Zimmer vorzunehmen und zu spachteln, den Rasen zu mähen, die Hecke zur Straße hin zu schneiden, damit die Triebe nicht den Fußgängern in die Augen stachen, die Kachelfugen im Badezimmer zu erneuern – sie hatten schon mehr als fünfzig Jahre auf dem Buckel und waren braunschwarz geworden. Es gab genügend zu tun, aber so lange er seinen Job machen musste, hatte er eine Ausrede. Merkwürdig fand er nur die Tatsache, dass es viel einfacher war, etwas zu tun, wenn man zu zweit war. Die Energie floss viel besser, wenn Veronika in der Nähe war und er nicht all diese langweiligen Dinge alleine machen musste.
Er wollte sich mit Janne Lundin vor dem folgenden Tag abstimmen. Lundin hatte Erika Ljung bei sich, sie brauchte einen Mentor. Es gab Leute, die sich fragten, warum sie sie in die Gruppe aufgenommen hatten, aber er vertrat immer offen die Meinung, dass sie Jüngere anlernen mussten, und in erster Linie Frauen.
Das Telefon klingelte.
»Hallo«, sagte Veronikas Stimme, und sie klang nicht wie sonst.
»Hallo, wie geht es?«
»Sie ist gerade gestorben«, sagte sie heiser.
»Oje«, entfuhr es ihm, fand keine anderen Worte. »Traurig zu hören«, fügte er dann hinzu.
»Vielleicht gar nicht so traurig«, sagte Veronika. »Ein bisschen Angst habe ich ja gehabt, dass sie in irgend so einem Heim herumliegen muss. Aber traurig ist es natürlich trotzdem … Ein komisches Gefühl. Jetzt bin ich die Älteste.«
Sie putzte sich die Nase.
»Nimmt es dich sehr mit? Und wie geht es übrigens Klara?«, fragte er und spürte die Sehnsucht nach seiner Tochter wie einen Streif von Wehmut in der Brust.
»Nein, ich bin gar nicht so kaputt. Klara war ziemlich ruhig, und Cecilia ist ja auch hier, sie hat sich erstaunlich viel um Klara gekümmert, und weißt du was«, fuhr sie mit gesenkter Stimme fort. »Cissi, ich meine Cecilia, ist nicht mehr so verdreht, außerdem ist sie ganz verliebt in ihre kleine Schwester.«
Claes konnte sich denken, dass Cissi in der Nähe stand und dass Veronika nicht wollte, dass sie das hörte, Cecilia,
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