Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 02 - Ein plötzlicher Tod
keiner davon ausging, dass es für jemanden zum Tode führen könnte. Wie viele Selbstmorde wohl allein auf Grund schwieriger Arbeitsverhältnisse begangen wurden? Wir verbringen so viele Stunden bei der Arbeit, dachte er. Werden von dem sozialen Umfeld aufgesogen, ganz gleich, wie es auch ist, und viele schaffen es nicht, sich zu wehren. Solche spannungsgeladenen Situationen mit klarem Verstand zu überleben, ist nicht einfach, wenn man ausgeschlossen und hinausgestoßen und bis ins Mark verletzt wurde in der manchmal ungemein grausamen Arbeitswelt.
»Jedenfalls ist es tatsächlich der Hörer von Lauras Telefon. Benny hat das überprüft«, erklärte Claesson nach seinem schnellen Gedankenausflug.
»Und wo …«
»… der Typ ihn gefunden hat, möchtest du wissen? Das konnte der Obdachlose natürlich nicht mehr sagen, und ich glaube nicht, dass er lügt. Es ist ja schließlich auch schon fast einen Monat her.« Er seufzte. »Es ist immer ein Kreuz mit alten Mordfällen«, fuhr er fort. »Aber wir müssen das Dunkel lichten. Ja, auf jeden Fall meint der Mann, dass das Telefon in einem Papierkorb in der Nähe des Stadtparks gelegen hat. Da muss es gelegen und geklingelt haben. Auf jeden Fall eine Weile, bis der Akku leer war. Benny meint, dass die Reichweite schnurloser Telefone dieser Art ziemlich groß ist.«
»Vielleicht sollten wir nach Menschen suchen, die einen klingelnden Papierkorb gehört haben«, schlug Louise vor.
»Du meinst für die Zeitbestimmung?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Unter anderem«, sagte sie dann. »Aber die Leute reagieren wahrscheinlich nicht mehr so auf Telefonklingeln im Freien nach dem ewigen Gebimmel der Handys. Sogar die kleinsten Schulkinder haben schon … Du hast keine Ahnung, wie teuer das werden wird, wenn Klara größer wird«, sagte sie lächelnd. »Meine Töchter sorgen jedenfalls dafür, dass die Telefonrechnung nicht schrumpft. Oh verdammt«, rief sie aus, lachte dann, und Claesson spürte dieses nette Gefühl der Zusammengehörigkeit, das noch so neu war, dass er sich kaum daran gewöhnt hatte. Er war ein Vater, ein Glied in der Reihe mehrerer Generationen, und er hatte seinen Egotripp aufgegeben für Fürsorge, Freude und Kummer für einen anderen Menschen, jemanden, der weder dachte wie er, noch die gleichen Bedürfnisse hatte.
»Die Gesprächsliste ist übrigens aufgestellt worden, danach hat Tomas Bengtsson Laura am Nachmittag des vermuteten Mordtages angerufen.«
»Sonst niemand?«
»Doch, ein Zahnarzt, es ging um eine Terminverschiebung. Laura war wohl zu optimistisch in ihrer Zeitplanung gewesen, hatte dann eingesehen, dass sie es nicht schaffen würde und deshalb auf den Anrufbeantworter gesprochen, dass sie einen neuen Termin nach dem Urlaub haben wollte.«
»Aber den brauchte sie nicht mehr«, sagte Louise nachdenklich.
Claesson schaute auf seine Uhr. »Wollen wir gehen?«
»Jepp«, sagte sie und richtete ihren muskelschmerzenden Körper mit einer gewissen Mühe auf.
Tomas Bengtsson saß im Verhörraum, ein magerer, bleicher und verhärmter Mann, zweiundvierzig Jahre alt. In der Mitte des Lebens, wie man zu sagen pflegte. Das Leben war jedoch in letzter Zeit hart mit ihm umgesprungen. Er rauchte nicht, sah aber trotzdem aus, als hätte er die letzten Monate kettenrauchend in einem Keller verbracht. Sein Gesicht war angespannt, mit tiefen Furchen in den Mundwinkeln, und die Haut unter den Augen schimmerte grünblau. Der Mann war fertig.
Als er geholt wurde, war er gerade dabei, den einen Hausgiebel rot zu streichen. Er zog sich um, bevor er sich in den Zivilwagen der Streife setzte, und trug jetzt khakifarbene Shorts, ein Tennishemd guter Qualität und ein Paar Seglerschuhe.
Claesson setzte sich ihm gegenüber an den Tisch, Louise ein Stück hinter ihn. Anwesende im Raum, Zeitpunkt und Ort wurden auf dem Band festgehalten. Das Zimmer war bereits jetzt von der Sonne aufgeheizt und hatte zu wenig Sauerstoff.
Wie lange er wohl durchhält?, überlegte Claesson.
»Was haben Sie am Freitag, dem dreizehnten Juli, bei Laura Ehrenswärd zu Hause gemacht?«, legte Claesson, ohne mit der Wimper zu zucken, los.
Tomas Bengtsson warf sich kurz mit dem Oberkörper nach hinten, als ginge das für sein zähes Gehirn, mit dem doch eigentlich alles in Ordnung sein sollte, zu schnell. Schließlich war er ein hochgebildeter Mann.
»Wieso? Das weiß ich nicht mehr«, war seine Antwort, und seine Stimmbänder schienen mit einer öligen Schicht belegt zu sein.
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