Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 02 - Ein plötzlicher Tod
muss ja wohl etwas passiert sein, wenn man einen Angestellten freikauft«, fuhr Rigmor beharrlich wie ein Terrier fort. »Es lief das Gerücht, dass er Kinderpornos auf seinem Computer gehabt haben soll. Das ganze Krankenhaus hat das gewusst. Das Gerücht ist hochgekocht und dann ebenso schnell wieder verschwunden. Vielleicht war es ja nur erfunden, aber wie es so schön heißt: Kein Rauch ohne Feuer. Was war dran? War Johan Söderlund tatsächlich scharf auf Kinderpornos? Ich muss sagen, das kann ich mir nur schwer vorstellen, aber man kann sich da ja irren. Oder war das nur ein Gerücht?«
»Wer hat das gesagt?« Laura war erstarrt, ihre blutleeren Lippen hatte sie zusammengekniffen.
»Ich sage es. Wenn man so etwas aufbringt, dann doch wohl mit dem Ziel, jemandem zu schaden«, schloss Rigmor nachdenklich ihre Rede ab. »Aber warum musste er denn hier aufhören?«
»Er musste überhaupt nichts.«
»War er ein Problem? Und wenn ja, in welcher Art? Denn dazu gehört wohl eine ganze Menge … und wir vom Pflegepersonal, wir haben nichts gemerkt. Wir mochten ihn.«
»Ich fürchte, wir kommen nicht weiter, wenn wir in der Vergangenheit herumwühlen«, schnitt Laura ihr das Wort ab, und Rigmor wurde klar, dass diese Frau etwas zu verbergen hatte.
»Nein, natürlich nicht, und jetzt ist das Problem ja auf jeden Fall gelöst, falls es nun ein größeres Problem gegeben hat. Er ist begraben«, erklärte Rigmor Juttergren, und deutlicher konnte man es nicht sagen. »Aber wie schon gesagt, da gibt es dieses neue Problem«, fuhr sie fort, stand auf und ging zur Tür. »Ich hoffe wirklich, dass es ihm nicht so schlecht geht, dass er irgendwelche Dummheiten macht«, bemerkte sie noch an der Tür und schaute Laura herausfordernd und ernst an. doch die nahm schon keine Notiz mehr von ihr.
Sie saß mit dem Gesicht halb abgewandt da und schaute geradewegs aus dem Fenster, und es schien, als wäre sie gar nicht richtig anwesend.
»Wer denn jetzt noch?«, fragte Laura und schaute endlich auf.
»Tomas. Vielleicht sollten wir ein Auge auf ihn haben, damit er nicht vollkommen aus dem Gleichgewicht gerät und …«
Laura zuckte mit den Schultern, als sei es ihr gleichgültig.
»Ja, dann gehe ich mal«, sagte Rigmor, zögerte aber noch.
Es schien ihr, als wäre etwas nicht gesagt worden, was unbedingt hätte gesagt werden müssen, aber Laura reagierte nicht.
Rigmor öffnete vorsichtig die Tür, die leise knarrte, sie schlüpfte hinaus und schloss sie langsam hinter sich, ging dann gedankenverloren am Sekretariat und den anderen Büros vorbei. Sie versuchte die Katastrophenstimmung abzuschütteln, die offen in dem Zimmer herrschte, das sie gerade verlassen hatte.
Sie hatte das Gefühl einer lauernden Gefahr im Bauch, und wenn nicht gerade eine Gefahr, dann zumindest die Vorahnung von etwas Kompliziertem und Hässlichem. Rigmor schätzte gerade Linien, deutliche Anweisungen, klare Gefühle, nicht diese konfuse, halb versteckte Ungewissheit unter der Oberfläche. Dieser Ärztezwist ging sie nichts an, beschloss sie ein für alle Mal, und sie hätte es fast laut gesagt, während sie mit gesenktem Kopf den Flur entlangging.
Sie versuchte Lauras Person und ihr Verhalten zu analysieren Klein und zerbrechlich war sie immer schon gewesen, aber nicht hilflos. Die schmalen Schultern schienen sich jetzt aber noch weiter zusammenzuziehen, und die Arme schwangen nie frei hin und her. Lauras ganze Körpersprache deutete auf Anspannung hin, sie war geschrumpft, glanzloser und magerer als früher. Vielleicht hatte sie sich doch Johan Söderlunds Tod mehr zu Herzen genommen, als sie zeigte. Nicht, dass Rigmor davon ausging, dass Johan und Laura jemals enge Freunde gewesen wären, eher im Gegenteil. Aber vielleicht hatte Laura gerade deshalb Gewissensbisse, die sie um keinen Preis zeigen wollte.
Jetzt wollte sie erst mal zu dem Sonnenschein der ganzen Familie gehen, dem immer kräftiger werdenden Johan. Dunkles Daunenhaar, die mageren Arme und Beine bekamen schon Grübchen. Er wuchs und gedieh, und offenbar hatte er Patriks breites, fast viereckiges Gesicht geerbt. Aber Patrik, dieser sture Junge, ihr jüngster Sohn, wollte ihn sich nicht einmal ansehen. Er war immer noch nicht da gewesen, um seinen Sohn zu besuchen. Der Junge war immer schon seine eigenen Wege gegangen. Aber sicher würde er eines schönen Tages noch kommen, kommen und eine große Hand vorsichtig auf den kleinen Kopf des Knirpses legen, wenn sie ihn nur nicht drängten. Er
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