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Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 06 - Der Tröster

Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 06 - Der Tröster

Titel: Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 06 - Der Tröster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Wahlberg
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gebracht zu haben, dachte er, doch dann fiel ihm ein, dass seine Frau noch älter war. Aber das war natürlich etwas anderes. Veronika sah auch gesünder aus.
    »Stammen Sie aus Dänemark?«, wollte Claesson wissen und versuchte, so freundlich wie möglich zu bleiben. Er wollte sich nicht allzu sehr von dem mausgrauen Eindruck, den die Frau auf ihn machte, beeinflussen lassen.
    »Ich nicht, aber meine Eltern«, erwiderte sie und zog ihre Jacke enger um sich, obwohl es recht warm war.
    Es war ihm bereits aufgefallen, dass sie tadellosen Oskarshamnsdialekt sprach mit den typischen småländischen Umlauten und einer Mischung aus gerolltem und gehauchtem R. Ihre Kleidung war heil und sauber, allerdings eher einfach, keine teure Markenware.
    »Ich werde unser Gespräch auf Band aufnehmen«, sagte er. »Ich weiß, dass Sie dem Beamten am Telefon bereits alles erzählt haben … aber es wäre mir recht, wenn Sie mir noch einmal von der … der Geburt berichten könnten?«
    »Mir war nicht klar, dass ich ein Kind erwarte«, begann sie. »Das kommt in der Tat vor, dass Frauen davon nichts merken«, fügte sie noch mit einer gewissen Schärfe hinzu, als könne er ihr nicht glauben. »Dann hatte ich auf einmal so wahnsinnige Schmerzen im Bauch. Und dann …«
    Sie sah aus dem Fenster und suchte die passenden Worte.
    »Dann kam es einfach«, sagte sie.
    »Wo befanden Sie sich da?«
    »Ich war zu Hause, allein. Im Badezimmer.«
    »Ganz allein?«
    »Hm.«
    Sie nickte. Sie schien den Tränen nahe zu sein.
    »Und was taten Sie dann?«
    »Ich wusste, dass Olof außer sich geraten würde … denn wir sind eine Weile nicht mehr … also wir haben eine Weile lang nicht mehr miteinander … nicht mehr, seit ich krankgeschrieben worden bin …«
    »Sie sind also krank?«
    »Deprimiert. Aber jetzt fühle ich mich schon viel besser, ich bekomme sehr gute Medikamente, alles ist jetzt viel leichter, und ich kann wohl bald wieder anfangen zu arbeiten.«
    Sie lächelte. Das machte sie richtig gut aussehend. Sie sah zehn Jahre jünger aus.
    »Haben Sie weitere Kinder?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Und der Vater des Kindes?«
    Claesson sah sie freundlich mit seinen graugrünen Augen an.
    »Ich will nicht sagen, wer es ist.«
    Stur presste sie die Lippen aufeinander und schaute auf ihre abgekauten Fingernägel.
    »Ihnen ist sicher klar, dass wir eine Blutprobe von Ihnen benötigen und, wenn es irgend geht, auch vom Vater, also wenn Sie das Gefühl haben, dass Sie uns seinen Namen anvertrauen können. Wir müssen uns sicher sein, wer die Eltern des Kindes sind. Aber Sie können mir vielleicht noch mehr über die Geburt erzählen. Das muss wirklich eine Überraschung gewesen sein und … und auch wirklich keine einfache Situation für Sie.«
    »Ich war schockiert.«
    »Das verstehe ich. Aber was haben Sie dann konkret getan, als das Kind zur Welt gekommen war?«
    Jytte Hilleröd dachte nach, und Claesson hatte das Gefühl, dass die Frau nicht wusste, wie eine Entbindung vonstatten ging. Sie war einfach nur von einem starken Wunsch erfüllt. Sie klammerte sich an einen Strohhalm. Sie wollte Mutter werden.
    »Ich habe es so gehalten«, sagte sie und demonstrierte mit den Händen, wie man ein Kind an der Brust hält.
    »Da ist doch noch die Nabelschnur«, meinte Claesson.
    Sie sah ihn mit großen Augen an.
    »Ja.«
    »Was haben Sie mit der gemacht?«
    »Sie abgeschnitten«, antwortete sie.
    »Und die Plazenta?«
    »Die habe ich weggeworfen.«
    »Wohin?«
    »In den Haushaltsmüll.«
    »Haben Sie die Nabelschnur abgebunden, ehe Sie sie abgeschnitten haben?«
    Ihr standen Schweißperlen auf der Oberlippe.
    »Natürlich.«
    »Können Sie mir sagen, womit?«
    Sie sah Claesson mit aufgerissenen Augen an. Eine Fangfrage. Nichts anderes als eine Falle. Claesson hatte das Gefühl, dass sie bald hineinfallen würde.
    Aber noch war nicht alles verloren.
    »Ich habe ein Gummiband genommen«, antwortete sie.
    »Was für ein Gummiband?«
    »Einen Gummizug.«
    »Und welche Farbe hatte dieser Gummizug?«
    »Er war natürlich weiß«, sagte Jytte Hilleröd im Brustton der Überzeugung. »Es war so ein ganz normaler, wie man ihn für Hosen verwendet.«
    Im Zimmer wurde es eine halbe Sekunde lang ganz still, und weder Kriminalkommissar Claesson noch Jytte Hilleröd wagten zu atmen.
    Dann brach sie in Tränen aus.
     
    Sara-Ida nickte und folgte Sophie, die im Unterschied zu ihr eher die Größe eines Mannequins hatte und das Haar zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden

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