Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 07 - Tödliche Geschäfte
Wie zwei Hauskatzen saßen sie still auf dem Sofa, bis Conny die Brauen hob. Es war Zeit aufzubrechen.
Schweigend gingen sie die Treppe hinunter zum Wagen.
Ihre Schicht war zu Ende.
40
Claes Claesson zuckte in seinem Hotelbett zusammen. Ohrenbetäubender Lärm vor dem Haus hatte ihn geweckt.
Er machte die Nachttischlampe an. Es war erst fünf, er knipste das Licht also wieder aus und ließ den Kopf erneut auf das Kissen sinken. Er hörte eine monotone Stimme.
Meine Güte, dachte er, klingen die Muezzin so?
Er schloss die Augen. In der Morgendämmerung geweckt zu werden, um zu Allah zu beten, passte zwar hierher, aber er war froh, dass er sonst nicht auf diese Weise geweckt wurde. Jeder soll nach seiner Fasson selig werden, dachte er, wie sein Vater immer gesagt hatte. Er drehte sich auf die andere Seite, legte den Arm über das freie Ohr und schlief wieder ein.
Als ihn sein Handy um halb sieben mit einem diskreten metallischen Ton weckte, fühlte er sich recht ausgeschlafen. Er setzte sich im Bett auf. Der Regen trommelte auf das Dach und schoss die Fallrohre hinab.
Tja! Und er hatte weder Regenjacke noch Regenschirm dabei!
Er stellte sich vor den Badezimmerspiegel. Während er sich mit der Rasierklinge methodisch über das Kinn fuhr, dachte er über theologische Fragen nach. Woher kam das menschliche Bedürfnis nach Religion überhaupt? Keine kleine Frage für sein schlaftrunkenes Gehirn zu so früher Morgenstunde, aber die Gedanken ließen sich nicht aufhalten.
Man müsse zwischen Religion und Tradition unterscheiden, meinten viele. Dieser Meinung war er nicht. Die Repräsentanten des Glaubens hatten es ungeachtet der Konfession zu leicht, fand er. Sie beriefen sich auf Schriften, die alles andere als taufrisch waren. Ein Teil ihres Inhalts war allgemeingültig, aber sehr viel war es nicht, sondern eher überholt. Eigentlich müssen sie sich zu ihrer Verantwortung bekennen und dafür sorgen, dass die Traditionen mit dem Streben der Gesellschaft nach Demokratie und Gleichberechtigung in Einklang gebracht werden. Wozu war Religion überhaupt gut? Sie war ein blasser Ersatz für das Streben des Menschen nach bedingungsloser Liebe, hatte einmal jemand gesagt. Er erinnerte sich nicht, wer das gewesen war, aber das hatte sich ihm eingeprägt, denn es leuchtete ihm ein. Dieselbe bedingungslose Liebe, die eine Mutter ihrem Säugling schenkt. Eine Art Verliebtheit, aber für ewig.
Gotte sprach oft über das Bedürfnis nach Geborgenheit und Zugehörigkeit. »Wir sind soziale Wesen, vergiss das nie«, predigte er, und damit hatte er natürlich Recht. Viel Elend folgte aus seelischer Misshandlung und großer Einsamkeit. Wohin das führte, sahen sie bei der Arbeit.
Draußen goss es immer noch. Claesson zog sich an und ging ins Frühstückszimmer hinunter. Dort saß bereits ein etwas bleicher Mustafa Özen.
»Hast du nicht geschlafen?«
»Doch«, erwiderte Özen lahm und ließ goldgelben Honig auf eine Brotscheibe tropfen.
Claesson sprach dem himmlisch guten Joghurt zu, der sicher sehr fett war, aber das sollte ihn jetzt nicht kümmern.
»Ich habe versucht, die Besprechung gestern zu protokollieren«, meinte Özen. »Genauso gut, das gleich zu erledigen, bevor man alles durcheinanderbringt. Oder vergisst. Und das hat dann ziemlich gedauert.«
»Du hast mit anderen Worten einen Aufsatz geschrieben«, sagte Claesson.
»Ja, das kann man so sagen.« Özen grinste.
Die Gewandtheit in der schwedischen Sprache war bei Polizisten mitunter begrenzt, das konnte auch Claesson nicht verhehlen. Die Berichte waren wichtig und mussten in einem eventuellen Prozess verwendbar sein. Viele Kollegen hatten jedoch Mühe, sich schriftlich auszudrücken. Kaum einer schlug vermutlich eine Polizeilaufbahn ein, weil er Klassenbester in Schwedisch war. Wie es bei Özen aussah, wusste Claesson nicht. Einige waren allerdings Naturtalente und könnten mühelos dicke Bücher und wissenschaftliche Abhandlungen verfassen. Peter Berg ließ sich dieser Gruppe zuordnen. Der Kriminaltechniker Benny Grahn ebenfalls. Er war wortgewandt und treffsicher und würzte seine Berichte gerne mit einer Prise Humor. Er schrieb stets die Reden, wenn ein runder Geburtstag gefeiert wurde, und diese zeichneten sich durch die richtige Dosis Ironie aus und waren wahnsinnig lustig.
»Du kannst das später durchlesen«, meinte Özen.
Claesson nickte. Er hatte Schafskäse, schwarze Oliven und ein Brötchen vor sich liegen. Dazu schwarzen Kaffee.
»Zum Glück
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