Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 07 - Tödliche Geschäfte
sie setzten ihren Weg langsam Richtung Östra Torggatan fort.
Als sie fast dort angelangt waren, hielten sie inne. Zwei Beine ragten hinter zwei Müllcontainern hervor.
»Scheiße. Wer hat sich hier vor das Shalom gelegt?«, fragte Andreas.
Sie kamen vorsichtig näher und standen nun vor dem Café. Es gehörte einer Freikirche und hieß Shalom. Jetzt war es natürlich geschlossen um vier Uhr morgens.
»Lebt er?«, fragte Nilla mit angeekelter Stimme und beugte sich vor. »Er ist ja vollkommen blau.«
Andreas kniete sich hin, aber statt nach dem Puls zu fühlen oder zu kontrollieren, ob der Mann noch warm war oder atmete, durchsuchte er ihm rasch sämtliche Taschen.
»Jemand hat ihn bereits ausgenommen. Wir verschwinden«, sagte er.
Plötzlich hustete der Mann. Sie warteten, bis er wieder aufhörte. Andreas betrachtete die Teppichrolle, die unter seinem Kopf lag. Er zog sie hervor, und der Kopf fiel schwer auf die Pflastersteine.
»Der Ärmste«, sagte Nilla, während Andreas versuchte, einen Blutfleck von der Unterseite des Teppichs zu wischen. Der Mann war vermutlich irgendwann im Laufe der Nacht hingefallen und hatte sich verletzt. Sein Haar war blutig. »Was willst du damit, können wir den nicht zurücklegen?«
Andreas antwortete nicht. Er klemmte sich den Teppich unter den Arm und zog Nilla hinter sich her Richtung Stadtpark.
»Den kann man super verwenden«, sagte er, als sie am Hotel Post vorbeikamen.
»Wozu?«, fragte Nilla zweifelnd. Sie schleppte nur ungern unbrauchbare Dinge durch die Gegend. Sie hatten auch so schon genug dabei.
»Vielleicht fällt mir was ein«, erwiderte Andreas grinsend. »Hast du noch nie von dem Teppichtrick gehört?«
Hatte sie nicht.
Im Stadtpark rollte er den Teppich aus. Er starrte enttäuscht auf das abgetretene Stück.
»Es ist allerdings zweifelhaft, ob er auch mit einem so abgenutzten Teppich funktioniert. Wirklich Pech. Er hätte ruhig etwas hübscher sein können … Vermutlich haben sie den Plunder deswegen weggeschmissen«, meinte er und zuckte mit den Achseln. »Aber versuchen kann man es trotzdem.«
Die Uhr im Armaturenbrett zeigte 6.25 Uhr. Der Streifenwagen fuhr Schritttempo. Conny Larsson gähnte so ausgiebig, dass ein Lastwagen zwischen seinen Kiefern Platz gehabt hätte.
»Das ist wirklich eine ungewöhnlich zähe Nacht. Aber jetzt ist sie bald zu Ende.«
Er trommelte mit den Fingern auf die Oberschenkel. Jessika Granlund sagte nichts. Sie war zu müde, um überhaupt den Mund zu öffnen.
Sie waren gerade beim Clublokal der Marine gewesen, das jemand anzünden wollte. Ein aufmerksamer Nachbar hatte gemeldet, dass ein paar Jugendliche Unfug anstellten, aber die Schuldigen waren natürlich bei Eintreffen des Streifenwagens verschwunden.
Sie fuhren den Kråkerumsbacken herunter. Der Lilla Torget war wie ausgestorben. Jessika fuhr langsam an der Abzweigung zur Besvärsgatan vorbei.
»Schau mal, liegt da nicht einer?«, fragte sie und bremste, setzte ein paar Meter zurück und bog in die Straße ein.
Sie sprangen aus dem Wagen. Neben zwei großen Müllcontainern gegenüber vom Café Shalom lag jemand.
»Shit!«, entfuhr es Conny. Vor ihm lag Göran Bladh.
»Wir hätten ihm nach Hause helfen sollen«, meinte Jessika missbilligend.
»Jedenfalls lebt er noch.«
Jessika rief einen Krankenwagen. Jetzt mussten sie die Angehörigen informieren.
Conny Larsson und Jessica Granlund klingelten an der Tür von Kajsa Bladh. Göran und sie waren nicht geschieden, lebten aber getrennt, sagte sie.
Sie rief die Intensivstation an und erhielt den Bescheid, sie könne in einer Stunde vorbeikommen. Man vermutete einen Herzinfarkt und daraus resultierenden Kollaps. Vielleicht handelte es sich auch um einen kleineren Schlaganfall.
»Laut Krankenschwester hatte er viel Alkohol im Blut«, erzählte die Ehefrau. »Am besten sage ich gleich, wie’s ist. Es kommt früher oder später ohnehin zur Sprache. Er war oder ist Alkoholiker. Deswegen bin ich auch bei ihm ausgezogen. Ich habe es nicht mehr ausgehalten, aber …«
Sie brach in Tränen aus.
»Ich habe immer noch daran geglaubt, dass er sich irgendwann am Riemen reißt. Unrealistisch, aber … schließlich liebe ich meinen Mann.«
»Wie traurig«, sagte sie im nächsten Augenblick, »dass er einfach so dalag und ihm keiner geholfen hat.«
Conny wich Jessikas Blick aus. Diese Musterschülerin wird früher oder später auch mal was versieben, dachte er.
Aber sie sagten nichts, weder Conny noch Jessika.
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