Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 07 - Tödliche Geschäfte
Polizei.
Das kriegen wir noch hin, dachte Claesson. Wenn sie alles an diesem Abend erledigten, dann konnten sie am nächsten Tag einen späteren Flug nehmen. Das ging sicher.
Sie wollten über die Galata-Brücke auf die andere Seite nach Beyoğlu fahren. Das Goldene Horn war von großen, graugrünen Wellen bedeckt. Der Wind hatte aufgefrischt, aber der Himmel war immer noch klar. Die Sonne ging allerdings bereits unter.
Merve und der Polizist am Steuer waren sich unsicher, wo genau die Straße mit dem Hotel lag. Suchend fuhren sie ganz langsam durch eine weitere schmale Gasse und bemühten sich die Schilder zu lesen.
»Nicht weit von hier liegt übrigens eines der berühmteren Hotels, das Pera Palas«, sagte Merve. »Es wurde in der Epoche des Orient-Express gebaut und ist fantastisch, allerdings etwas heruntergekommen. Zur Zeit wird es renoviert und ist wohl bald wie neu. In diesem Hotel gibt es eine Agatha-Christie-Suite, die man besichtigen kann. Da soll sie geschrieben haben, heißt es. Atatürk hat auch dort gewohnt.«
Claesson nickte.
»Es gibt Leute, die viel Geld an Morden verdient haben«, meinte sie grinsend. »Vielleicht sollte man das mal ins Auge fassen, statt sie in der Wirklichkeit aufzuklären. Das ist nicht so einträglich.«
»Solange man schreiben kann«, sagte Claesson. »Die Menschen haben Bluttaten, Katastrophen und Verrückte immer faszinierend gefunden. Sie scheinen davon nicht genug zu bekommen.«
»Nein«, sagte Özen. »Wir auch nicht.«
Sie hielten an. Das Hotel hieß Galata New Hotel und war weder neu noch groß. Sie stiegen aus. Es war inzwischen Abend und kühl.
Die kleine Hotellobby war leer. Sie gingen zu dem Tresen aus dunklem Holz und klingelten. Irgendwo weiter hinten schien jemand zu telefonieren.
Die Lobby, die Visitenkarte des Hotels, machte einen guten Eindruck, fand Claesson. Es war die Sorte Hotel, in der er selbst auch gern wohnte. In den protzigen und luxuriösen fühlte er sich nicht wohl, sondern kam sich nur dumm und linkisch vor. ’
Er sah sich um. Auf einem Tisch in der Ecke stand ein großer Computer, den die Gäste zum Surfen verwenden durften. Dieser Service war gratis, wie einem Schild auf Englisch zu entnehmen war. Er öffnete eine Tür einen Spalt breit und erblickte einen Wintergarten in einem hübschen Hinterhof, der als Frühstückszimmer diente. Er schloss die Tür wieder und sah sich im Entree um. Ihm fiel auf, dass die Teppiche sehr schön waren. Seine Kenntnisse in Sachen Teppiche waren sehr rudimentär, aber jetzt nahm er sie immerhin wahr und lief nicht nur auf ihnen herum. Ohne lange nachzudenken konnte er inzwischen sagen, dass zwei der Teppiche geknüpft waren, vermutlich in klassischen türkischen Mustern. Der dritte, kleinste, war ein gewebter sogenannter Kelim. Er hatte sehr helle Farben, überwiegend rot. Der gefiel Claesson am besten.
Nun tauchte eine Frau hinter dem Tresen auf und sagte etwas auf Türkisch.
»Womit kann ich dienen?«, wiederholte sie dann auf Englisch.
Sie war Anfang sechzig und sah charmant aus. Ihr kräftiges Haar in der kalten grauen Farbe, die sehr dunkelhaarige Menschen bekommen konnten, reichte bis zu den Ohrläppchen. Sie trug einen dunkelroten, hochgeschlossenen Pullover und eine schwarze Hose.
Während Merve ihr Anliegen vorbrachte, schob sich die Frau die Ärmel hoch. Ihre Fingernägel waren blutrot lackiert. An beiden Handgelenken trug sie schwere goldene Armbänder. Merve bat sie darum, Englisch zu sprechen, falls ihr das nicht zu schwer fiele. Das war nicht der Fall.
Sie erfuhren, dass diese Frau die Polizei verständigt hatte. Sie drehte sich um und nahm eine Plastiktüte von der Ablage hinter dem Tresen. Der Inhalt bestand aus Carl-Ivar Olssons Pass und einem Schlüsselbund, aber keinem Handy.
»Wir haben das Zimmer von Herrn Olsson erst gestern ausgeräumt. Wir wussten nicht, wo er sich aufhielt, und warteten erst einmal einen Tag ab. Vielleicht taucht er ja wieder auf, dachten wir. Das Hotel war ohnehin nicht voll, es spielte also keine Rolle.«
Ihr Lächeln war verschwunden. Ihre braunen Augen sahen sie ernst an. Claesson beschlich das Gefühl, dass sie Olsson besser gekannt haben musste, als es zwischen Hotelier und Gast sonst üblich war.
»Normalerweise erhalten die Gäste ihre Pässe nach der ersten Nacht zurück, aber dazu kam es in diesem Fall nicht«, fuhr sie fort. »Herr Olsson hat seinen Zimmerschlüssel nicht hier am Empfang abgegeben … also bei mir oder bei meinem Bruder.
Weitere Kostenlose Bücher