Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 07 - Tödliche Geschäfte
Birgitta, versprich mir das. Es ist nicht immer leicht, mit der Wahrheit umzugehen. Das bleibt zwischen Carl-Ivar, dir und mir«, sagte sie und blinzelte auf diese verschmitzte Art, die Annelie immer sofort misstrauisch stimmte.
Es ist auch nicht leicht, mit der Unwahrheit umzugehen, dachte sie.
Draußen war es inzwischen feucht und kühl. Annelie sprang in ihren fahrbaren Untersatz und verließ die Filaregatan. Sie rief Christoffer an und erzählte, dass die Schmerzen wieder verschwunden waren und ihre Mutter ruhig schlafen würde.
»Dann war es vermutlich ein Gallenstein«, meinte er sorglos.
»Danke für die Hilfe«, erwiderte sie.
»Fährst du jetzt nach Hause?«
»Ja.«
Sie hatte einige Male im Teppichgeschäft und bei Gabbi übernachtet, aber es war anstrengend, immer auf dem Sprung zu sein. Sie war also wieder zu Hause eingezogen und schlief im Gästezimmer. Das war ganz okay. Hübsche Blümchentapete, die sie selbst ausgesucht hatte, dazu weiße Gardinen, durch die das Licht ins Zimmer fiel.
»Dann sehen wir uns morgen, wenn mein Dienst zu Ende ist«, sagte er und klang, als würde er sich darauf freuen.
Gemeinsames Frühstück. Kaffee, Tee und Toast. Warum nicht?
Sie parkte vor dem Haus. Der rote Passat stand nicht dort, sondern auf dem Klinikparkplatz.
Es wird ihm jedenfalls niemand heute Abend einen roten Zettel unter den Scheibenwischer klemmen, dachte sie. Sonst hatten sie es wohl mit einem Gespenst zu tun. Oder Tina Rosenkvist hielt sich irgendwo versteckt. Vielleicht vor Pär.
Welch eine turbulente Zeit.
Man weiß so wenig darüber, was in den anderen vorgeht. Sie wird doch nicht tot sein?, dachte Annelie und stieg aus dem Auto. Sie war plötzlich fürchterlich müde. Die Stille umfing sie ganz unerwartet. Felder und Wiesen nahmen sie in Empfang, und die quälende Unruhe verließ sie. Deswegen wohne ich auch hier, dachte sie. Im Paradies. Und die Schlange war auch schon da gewesen. Sie brauchte sich deswegen keine Gedanken mehr zu machen.
Eigentlich hätte sie auf der Hut sein müssen, schließlich war sie mit einem Alarmsystem ausgestattet, aber irgendwie fehlte ihr dazu die Kraft. Oder der Wille. Sie weigerte sich vielleicht auch einfach daran zu glauben, dass irgendwo ein Schurke auftauchen könnte, um ihr etwas zu entreißen oder, noch schlimmer, über sie herzufallen. Nicht jetzt. Dazu war nicht der richtige Augenblick. Dann würde er in ein Wespennest stechen. Die Polizei war eingeschaltet, alle warteten nur darauf, dass er wieder zuschlagen würde.
Tina hatte nichts mit den Teppichen zu tun, da war sie sicher. Dass Tina verschwunden war, war die Schuld ihres labilen und etwas überdrehten Ehemanns, aber darüber ließ sie sich nicht aus. Das hätte den Verdacht wecken können, sie sei eifersüchtig.
Das war sie auch, aber ihre Probleme gingen niemanden etwas an. Die bewältigte sie auf ihre Weise. Durch Schweigen, und das funktionierte. Was Pär Rosenkvist anbelangte, waren wohl alle im Dorf einer Meinung. Man hatte irgendwie ein wenig Angst vor ihm.
Sie ging nicht ins Haus, sondern auf die abschüssige, frisch gemähte Wiese hinter ihrem Grundstück. Gelbe Schwertlilien leuchteten am Bach, und Butterblumen kontrastierten mit den grauen Mauern, obschon sie jetzt am Abend ihre Blüten schlossen.
Es war noch hell. Das bräunliche, aber klare Wasser des Bachs gluckerte. Die Steine auf dem Grund waren undeutlich zu sehen. Ein Fliegenschnäpperpärchen flog eifrig zwischen Nistkasten und Bach hin und her.
Sie ließ sich auf einen Felsblock sinken. Die jüngsten Ereignisse betrafen sie nicht. Jedenfalls nicht jetzt. Die Natur war so unglaublich schön, dass sie aus ihr Trost schöpfte.
Vielleicht würde alles wieder gut werden. Zwischen Christoffer und ihr. Vielleicht würde sie das Teppichgeschäft weiterbetreiben, und zwar richtig.
Sie erhob sich, ging ins Haus und schenkte sich ein Glas Wein ein.
»Skål!«, sagte sie zu sich selbst und hob das Glas.
55
Es ging auf acht Uhr abends zu. Birgitta Olsson hatte Wäsche aufgehängt und die Küche aufgeräumt. Jetzt sah sie sich die Nachrichten im Fernsehen an. Eigentlich musste sie die Gartengeräte in den Schuppen stellen, hatte aber nicht die Kraft dazu. Die Heckenschere, die Harke, die Baumschere und den Kantenschneider, den mit dem kurzen Griff, der ganz neu und noch ganz scharf war und den sie sehr gerne benutzte. Er lag in einem länglichen Korb in der Diele. Sie hatte den Korb auf einen Hocker an der Wand gestellt,
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