Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 07 - Tödliche Geschäfte
da sie im Profil vor ihm saß. Sie schien sich mehr für den Computer als für ihn zu interessieren. Vermutlich wartete sie darauf, dass die richtige Maske auf dem Monitor erschien. Sie hatte lange, funkelnde Fingernägel, die auf den Tasten ruhten, während sie den Bildschirm betrachtete, dessen Licht ihr Gesicht erhellte. Sie trug ein hellblaues, ordentlich gebügeltes Uniformhemd und eine dunkle Hose. Ihr dickes, schwarzes Haar war zusammengebunden.
Er verspürte immer noch überall ein Kribbeln, aber jetzt war keine Zeit mehr, seinen Einfall mit dem Geld zu bereuen. Er setzte sich auf und ließ dankbar ein Stück Würfelzucker in seinen Tee fallen. Dann rührte er langsam um und versuchte, das Gefühl der Beschämung von sich zu schieben. Bislang hatte ihn die Beamtin noch kein einziges Mal angelächelt. Aber ihre mandelförmigen Augen wirkten freundlich.
Es hätte schlimmer kommen können – das redete er sich die ganze Zeit ein. Er saß hier schließlich nicht bei der berüchtigten Militärpolizei, mit deren Methoden nicht zu spaßen war.
Er nippte an seinem Tee. Er war gut und befeuchtete seinen Hals, der trocken war wie die Wüste. Die Beamtin hatte inzwischen mit den Angaben zu seiner Person begonnen, die er ihr schnell herunterbetete: Name der Eltern, Geburtsort, Adresse, Handynummer. Was sie alles wissen wollte, nahm kein Ende. Die Fragen wurden mit einer neutralen Stimme und ohne Zögern gestellt. Das hatte sie schon öfter gemacht, das war ihm klar. Ihre Finger, die über die Tasten tanzten, faszinierten ihn.
Dann wandte sie sich plötzlich vom Monitor ab und sah ihm zum ersten Mal direkt in die Augen. Viel zu lange, fand er.
»Ilyas«, sagte sie mit tiefer Stimme und legte eine unerträgliche Kunstpause ein. »Ich weiß, dass das auf der Fähre ein unbehagliches Erlebnis für Sie war, aber könnten Sie mir die Ereignisse nochmals schildern? Lassen Sie sich Zeit.«
Sie bereitete sich auf einen Wortschwall vor, indem sie ihre Finger über die Tastatur hielt. Dass sie ihn mit seinem Vornamen ansprach, überrumpelte ihn. Es machte ihn verlegen und nervös.
»Wo soll ich anfangen?«
Er musste seine Worte sorgsam wählen. In seinem Kopf schwirrten alle Gedanken durcheinander, sein Herz schlug rasend schnell, und in seinen Ohren rauschte es.
»Fangen Sie damit an, wie Sie den Mann gefunden haben«, meinte sie freundlich.
In diesem Augenblick tauchte eine farbige Kaskade aus rotem Blut und hellblauem Oberhemdstoff vor seinem inneren Auge auf, und er hörte die elenden Möwen kreischen. Dieses Lachen der Möwen würde ihn noch lange verfolgen.
Er legte los. Es ging ganz gut. Sie schrieb mit und stellte keine Fragen über das Blut, und das erleichterte ihm das Erzählen.
Er fühlte sich zunehmend sicherer, seine Stimme festigte sich, und er verhaspelte sich seltener. Trotzdem merkte er, wie ihm der Schweiß auf die Stirn trat. Das Zimmer hatte sich im Laufe des Tages aufgeheizt, und bis zur wohltuenden Kühle des Abends würden noch einige Stunden verstreichen. Der große Ventilator unter der Decke kreiste träge über ihm und vermochte kaum etwas auszurichten.
Ilyas wagte es nicht, auf die Uhr zu sehen, aber es war schon eine geraume Zeit her, dass er den Ruf zum Nachmittagsgebet aus den Lautsprechern des nächsten Minaretts gehört hatte. Es war also bereits nach fünf.
Es gab viele Moscheen in Istanbul. Es gab große und richtig kleine. Die meisten waren sehr alt. Er störte sich nach wie vor an dem scheppernden Klang der Stimmen der Muezzins, er war weniger inbrünstig und einladend als die harmonische Stimme des Imams, der zu Hause in seinem Dorf vom Minarett aus zum Gebet aufforderte.
Während er erzählte und versuchte, ihre Zwischenfragen zu beantworten, starrte er auf das Wappen auf ihrer Hemdbrust. Es befand sich etwas oberhalb von ihrem, wie ihm natürlich sofort aufgefallen war, wohlgeformten Busen, aber eben darüber, also war er über den Verdacht erhaben, auf ihre Hupen zu starren.
Ein Uniformhemd mit diesem Wappen zu tragen, das war gar nicht übel. Er musste sich erkundigen, ob er nicht auch Polizist werden konnte.
Sein Magen begann zu knurren und zu rumoren. Die Anspannung und das Unbehagen waren ihm auf den Magen geschlagen. Sie hörte das natürlich – sie hätte stocktaub sein müssen, um es nicht zu hören – und warf ihm einen raschen Blick zu.
Er schämte sich fürchterlich und wollte nur noch eins: so schnell wie möglich weg. Deswegen redete er immer schneller. Sie
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