Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 07 - Tödliche Geschäfte
Die zwei Tage alte Nora und er lagen ganz entspannt da. Nora hatte noch ganz schmale Arme und Beine. Sie würden schon noch knubbelig werden. Jetzt schlief sie den tiefen Schlaf der Neugeborenen, zuckte ab und zu, gab Laute von sich und wurde dann wieder still.
Klara hatte beschlossen, von ihrer Mutter in den Kindergarten gebracht zu werden. Sie wollte Veronika eine Weile für sich haben. »Meine Mama«, hatte sie gesagt, Veronika an der Hand genommen und war mit ihr davonmarschiert. Sie hätte auch zu Hause bleiben können, wollte aber ihren Freunden von ihrer neuen Schwester erzählen. Sie durfte drei Stunden bleiben, zwischen acht und elf, jetzt, wo ein Elternteil zu Hause blieb, und das war vermutlich großzügiger als anderswo auf der Welt. Frauen in Schweden konnten Kinder bekommen, ohne befürchten zu müssen, gegen ihren Willen an den Herd verbannt zu werden.
Die Zeitung lag aufgeschlagen auf seinen Beinen. Claes nahm sie auf und begann darin zu lesen. Im Haus war es seltsam still. Er überflog einen Artikel über einen Mann, der viel Geld unterschlagen hatte und jetzt in Südamerika wohnte.
Plötzlich wurden seine Lider schwer. Die Nacht war unruhig gewesen. Ihm fielen die Augen zu, und er ließ die Zeitung zu Boden fallen. Sein Bewusstsein wechselte den Fokus, und Claes hörte Vögel zwitschern, ein ganzes Orchester. Die Terrassentür stand einen Spalt offen. Die Amsel sang am lautesten. Auch ein paar Stare waren zu hören. Sie kamen früher als die Amseln. Später würde dann auch das Lied der Lerche zu hören sein. Seit sie in das stille Wohnviertel Kolberga gezogen waren, hörte er die Vögel singen. Als er noch zentraler gewohnt hatte, waren ihm die Vögel nicht weiter aufgefallen.
Dass er frei hatte, gefiel ihm. Er hatte Louise Jasinski bereits am Vortag, am Sonntag, angerufen. Sie hatte ihm gratuliert und nichts dagegen eingewendet, eine Woche früher den Dienstplan zu ändern. Es traf immer etwas Unvorhergesehenes ein. So war es einfach. Seine Schwester Gunilla hatte er ebenfalls angerufen, um ihr alles zu erzählen, seinen Bruder jedoch nicht.
Veronika und er konnten schon überglücklich sein, dass sie Klara bekommen hatten. Und jetzt noch ein Baby!
Claes wollte seine Mutter im Altenheim besuchen und ihr von Nora erzählen. Das wollte er, obwohl sie ihn nur leer anschauen würde. Vielleicht würde sie die Stirn runzeln, als würde sich tief im Innersten doch noch etwas regen, zwar schleppend und langsam, aber vielleicht doch ein Anzeichen dafür, dass sie verstand, dass sie ein weiteres Enkelkind bekommen hatte.
Das Leben hatte es in den letzten Jahren gut mit ihm gemeint. Er erinnerte sich noch an die irrsinnige Zeit, in der er das Neurotische aufregend gefunden hatte. Die Frauen in seinem Leben hatten den Alltag in ein Minenfeld verwandelt. Launenhaftigkeit und geheimnisvolle und dunkle Seiten zogen ihn an, und sein Leben wurde nie langweilig. Der ständige Wechsel zwischen Streit und Versöhnung war aber auch aufreibend gewesen. Er bekam ein Magengeschwür, schlief phasenweise sehr schlecht und war immer müde. Er glaubte jedoch, das müsse so sein.
Die Frauen in seinem Leben waren immer stark gewesen, aber auf unterschiedliche Weise. Veronika, die ebenfalls stark war, war gleichzeitig vernünftig. Dass er sich so lange hatte irren können! Wie dumm konnte man eigentlich sein?
Veronika rief an und wollte wissen, ob Nora noch schlief, denn sie würde gerne noch einkaufen. Nora schlafe tief, berichtete er.
Fünf Minuten später rief Louise Jasinski an. Ihm war sofort klar, dass sie ihn nicht danach fragen wollte, ob er sein Urlaubsformular bereits ausgefüllt hatte.
Mord an einem Teppichhändler. Ob er sich vorstellen könne, nach Istanbul zu fahren?
Also wirklich, war sein erster Gedanke. Gleichzeitig überlegte er, ob das womöglich der Teppichhändler war, bei dem sie seinen geerbten Teppich zur Reparatur abgegeben hatten. War er tot? Wie bedauerlich!
Noch dazu brutal hingerichtet. Es war am Samstag kurz vor sechzehn Uhr auf einer anlegenden Fähre in Istanbul passiert. Das Blut war noch nicht getrocknet, als er gefunden wurde. Man ging davon aus, dass er unmittelbar, bevor die Passagiere die Fähre verließen, getötet worden war. Jedenfalls ging das aus den türkischen Unterlagen hervor. Sein schwedischer Führerschein steckte noch in seiner Brieftasche. Aber ein Angehöriger musste seine Identität vor Ort bestätigen.
»Ein Besatzungsmitglied hat ihn gefunden. Es steht
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