Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 07 - Tödliche Geschäfte
nirgends, wo genau, aber auf einer Fähre kann man vermutlich an vielen Orten eine Leiche verstecken«, meinte Louise. »Verdächtige gibt es nicht, die Mordwaffe fehlt auch, vermutlich handelt es sich um ein Messer, das der Mörder gleich ins Wasser geworfen hat«, fuhr sie fort.
Claesson konnte das Blut vor sich sehen. Er sah auch die vielen Passagiere, den lärmenden Verkehr und alle Ganoven. Mit anderen Worten: kein Problem zu entkommen.
Er war früher schon auf Dienstreise gewesen, aber nur in Europa. Istanbul lag genau auf der Grenze. Die Ermittlung fand wie die Obduktion immer in dem Land statt, in dem das Verbrechen begangen worden war. Das war das Grundlegende. Dasselbe galt auch für einen eventuellen späteren Prozess. Wenn ein fremdes Land Hilfe aus dem Heimatland des Opfers anforderte, dann erfolgte das immer unter den Prämissen des Gastgeberlandes. Man musste sich sehr diplomatisch verhalten. Das hatte er schon früher erlebt. Es gab überall auf der Welt Fettnäpfchen.
Louise las ihm den kompletten Bericht des Interpolbüros in Stockholm vor. Er sah sie vor sich, den Kopf vorgeschoben und zur Seite gelegt, dann ein strahlendes Lächeln, breit wie eine Autostrada, die Strahleaugen voll aufgeblendet.
Sie schmeichelte. Oder flehte. Und ihm gefiel das!
»Istanbul, Claesson! Ich will nicht selbst fahren. Frage mich bitte nicht, warum«, sagte sie milde und bittend, und er dachte, dass das vermutlich mit ihrem neuen Mann zusammenhing. »So ist es einfach … ich weiß, dass du ein Neugeborenes zu Hause hast, aber du brauchst nicht länger als ein paar Tage dort zu bleiben. Wir müssen genau planen, damit es so glatt wie möglich läuft …«
Peter Berg war Ermittlungsleiter in einem anderen Fall und deswegen ebenfalls unabkömmlich. Janne Lundin fand, sein Englisch sei zu schlecht. Erika Ljung arbeitete im Augenblick vertretungsweise in Malmö. Dass Martin Lerde noch nicht trocken genug hinter den Ohren war, bezweifelte niemand, sein Name fiel nicht einmal, obwohl er selbst sicher fand, er sei der Fähigste weit und breit. Die richtige Selbsterkenntnis und Bescheidenheit fielen eben nicht immer zusammen.
Fest stand, dass Mustafa Özen auf alle Fälle fahren würde. Er war zwar erst seit sehr kurzem bei der Kripo, aber er konnte die Sprache und kannte die Kultur.
»Prima Voraussetzungen, wie Lundin es ausdrückte«, lachte Louise, die ihren Kollegen gerne nachahmte. Sie wusste auch zu berichten, dass sich Martin Lerdes Miene sichtlich verfinstert hatte, als ihm das Gerücht zu Ohren gekommen war. »Bei der Kaffeepause heute Vormittag war er so wütend, dass ihm der Henkel von der Kaffeetasse abgebrochen ist, als er sie auf den Tisch geknallt hat!«
Claesson grinste.
»Wie viel Türkisch kann Özen eigentlich? War er nicht noch ganz klein, als er hierherkam?«, fragte er.
Sechs, erfuhr Claesson. Er kannte Mustafa Özen nicht sonderlich gut, im Dienst waren sie keine Familie, nur Kollegen, auch wenn einem manche Kollegen wie Janne Lundin näher standen. Özen hatte behauptet, sein Türkisch sei einwandfrei. Er habe zu Hause Türkisch gesprochen, erzählte Louise. Özen war natürlich ganz wild auf den Fall.
»Spricht man in der Türkei nicht viele Sprachen?«, fragte Claesson.
»Keine Ahnung. Was du immer wissen willst! Aber ist das dann nicht sowieso weiter östlich? Kurdisch und so? Ich vermute, dass es ähnlich ist wie in Schweden mit dem Samischen und Finnischen, Minderheitensprachen eben … Aber Türkisch ist die Sprache der Majorität und die Verwaltungssprache, habe ich gelesen. Obwohl …«
»Ja?«
»Ich bin mir nicht hundertprozentig sicher, dass wir das Landeskriminalamt da außen vor lassen können. Die wollen natürlich auch in den Süden. Ich tue, was ich kann, aber leicht wird es nicht, wie du weißt«, meinte Louise. So war es immer, besonders wenn es um größere und wichtigere Ermittlungen ging »Aber unsere Chancen verbessern sich erheblich, wenn wir sagen, dass wir Leute schicken, die sich im Heimatort des Opfers auskennen und außerdem noch die Sprache sprechen.
Dann muss unbedingt auch ein routinierter Ermittler dabei sein, mit Autorität und so«, meinte sie.
»Und das bin ich?«, erwiderte er und grinste.
»Ja, das muss dir doch auch klar sein, dass …«, hörte er Louise sagen, als hätte sie seine Gedanken gelesen.
Er lag immer noch auf dem Sofa. Sein Puls hatte sich beschleunigt, sein Herz pochte so heftig, dass Nora eigentlich hätte aufwachen müssen. Unter
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