Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 07 - Tödliche Geschäfte
normalen Umständen hätte Claes freudig seinen Koffer gepackt. Aufregend und lehrreich.
Aber gerade jetzt …
Nicht nur, weil er Veronika nicht im Stich lassen wollte, es ging mehr darum, dass er die erste Zeit nicht verpassen wollte, die so schnell vorüber war. Aus vollkommen egoistischen Gründen wollte er bei seiner winzig kleinen Tochter bleiben. Wollte mit seiner Familie die Zeit genießen, die nie mehr wiederkommen würde.
Aber Nora würde natürlich noch lange bei ihm sein. Und es handelte sich schließlich nur um ein paar Tage.
Dann dachte er an Veronika. Es erschien ihm ausgesprochen heikel, die Frage ihr gegenüber überhaupt nur anzusprechen. Nicht, weil sie wütend werden oder enttäuscht sein würde, sondern weil sich allein schon in der Frage die Hoffnung auf ein Ja verbarg.
»Als Erstes müssen wir natürlich hier in Oskarshamn umfassende Nachforschungen anstellen, damit ihr nicht mit leeren Händen nach Istanbul kommt, aber wir … genauer gesagt ihr, du und Özen, müsst euch ranhalten, damit ihr so schnell wie möglich in die Türkei kommt. Ich verspreche, dass ich dir helfe, wo ich kann«, sagte Louise.
Er musste schmunzeln, während er mit dem schnurlosen Telefon am Ohr auf dem Sofa lag. Kein Wunder, dass Louise es so weit gebracht hatte. Anfänglich hatte er sich über ihre Effizienz und ihren offensichtlichen Ehrgeiz geärgert. Fähige Frauen galten unter Männern oft als übereifrig, meinte Veronika. Mit diesem Argument konnte man sie schlechtmachen, es war ein Verteidigungsmechanismus gegen die Bedrohung »von der Seite«, gegen Konkurrenz, die nicht von einem anderen Mann kam, womit sich leichter umgehen ließ, weil das vertrauter, geläufiger war.
Es gefiel ihm nicht immer, wenn die feministische Welle über den Küchentisch schwappte, aber er versuchte dazuzulernen.
Bestimmt hatte auch er Louise im Laufe der Jahre einige Male untergebuttert. Eine Frau, die sich nicht auf das Ressort intrafamiliäre Gewalt beschränken wollte, wie ging man damit um? Janne Lundin übernahm inzwischen recht viele dieser Fälle, er besaß Erfahrung, ging bald in Rente, er war vernünftig und wusste die Betroffenen zu beruhigen und Vertrauen aufzubauen, obwohl er auch nicht zögerte, gegebenenfalls seine Stimme zu erheben.
Louise war wie ein Terrier, hatte sie sich erst einmal festgebissen, ließ sie nicht mehr los. »Wir haben aus dem Register erfahren, dass der Teppichhändler nicht vorbestraft war. Ludvigsson und Özen sind gerade zu der Witwe gefahren, um ihr die Trauernachricht zu überbringen, bevor die Medien loslegen. Falls sie überhaupt zu erreichen ist.«
Claesson glaubte sich vage zu erinnern, dass Veronika die Frau des Teppichhändlers kannte. Weil sie in ihrer Klinik arbeitete oder etwas in dieser Art.
»Wir hoffen, dass seine Frau sich bereit erklärt, ihn vor Ort zu identifizieren.«
»Hat er Kinder?«
»Ja, zwei, beide erwachsen.«
Er hörte selbst, dass er zu viele Fragen stellte. Aber noch konnte er nein sagen. Er hatte Anspruch auf Elternzeit. Zehn Tage. Ha!
»Du hast doch einen gültigen Pass?«, fragte Louise und nannte ihm den Namen des türkischen Ermittlungsleiters, den sie dem kryptischen Gesuch von Interpol entnahm. Sie versuchte den Namen auszusprechen. Der Vorname war kein Problem, Fuat, aber den Nachnamen konnte man sich nicht merken. Etwas mit K. Er klang orientalisch und ließ an einen schwarzhaarigen Mann mit unergründlichen Samtaugen und einem prächtigen, kohlschwarzen Schnurrbart denken. Wie Herr Omar, dachte Claes. Ein ruhiger Mann mit Fez auf dem Kopf und einem zusammengerollten Teppich unter dem Arm. Das Bild stammte aus einem der Lieblingsbücher seiner Kindheit, »Privatdetektiv Ture Sventon«.
Seine Mundwinkel zuckten. Louise sprach von der Witwe und den beiden erwachsenen Kindern, deren Identifizierung des Toten mit seiner und Özens Reise koordiniert werden musste. Er hörte mit halbem Ohr zu. Er selbst sah sich schon auf einem bunten und weichen Teppich sitzen, über die Fransen streichen und sagen: »In die Türkei!« Er durfte nur nicht vergessen, das Fenster zu öffnen.
Plötzlich wurde es am anderen Ende still.
»Hörst du mir eigentlich zu?«
Er schwebte schon über die Alpen. Der Wind sauste ihm um die Ohren, doch dann kam er schlaftrunken zu sich und schlug unsanft in seinem eigenen Wohnzimmer in Oskarshamn auf.
»Klar«, sagte er. »Aber du redest so, als wäre schon alles entschieden. Kann ich wohl erst noch mit Veronika sprechen,
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