Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 07 - Tödliche Geschäfte
Sie eilte durchs Haus und raffte ein paar Sachen zum Übernachten zusammen. Tränen liefen ihr über die Wangen, und sie sah kaum etwas. Sie wollte nach Hause auf den Hof ihrer Eltern in Bråbo.
Fünf Minuten zuvor hatte sie den Hörer aufgelegt. Sie hatte ihre beiden Kinder informiert und erzählt, dass ihr Vater nicht mehr am Leben war. Johan und Lotta würden am nächsten Tag kommen, vermutlich irgendwann am Nachmittag. Wahrscheinlich würden sie dann alle in Oskarshamn übernachten und bereits am Mittwoch nach Istanbul fahren.
Die Polizei wollte sich noch melden, aber um die Flugtickets mussten sie sich selbst kümmern. Das wollte ihr Schwiegersohn Magnus erledigen.
Sie rief auch die Stationsschwester an, weil sie eigentlich auch in der nächsten Nacht Dienst hatte und nun nicht arbeiten konnte. Birgitta entnahm der Stimme ihrer Chefin, dass sie gerne genauer gewusst hätte, wann sie wieder arbeiten konnte, aber Birgitta bremste diese enervierende Geschäftsmäßigkeit ab, indem sie mitteilte, mindestens eine Woche fernzubleiben.
»Natürlich, ich verstehe, dass du dir Zeit nehmen musst! So einen Schock muss man erst einmal verarbeiten!«, sagte ihre Chefin. »Ruf an, wenn du glaubst, dass du wieder arbeiten kannst und die Trauer einigermaßen überwunden hast.«
Die Trauer überwinden? Wo sie das wohl wieder herhatte …
Auch vor etwas so fundamental Menschlichem wie der Trauer machten die Experten nicht Halt. Als sei dieser Begriff etwas, was einen bestimmten Maßnahmenkatalog nach sich zog. Für alles gab es ein Rezept. Wie man alles richtig machte wie bei einem Rührkuchen, damit er auch locker wurde.
Das hatte nichts mit dem Zustand zu tun, in dem sie sich im Augenblick befand. Wie Bambi auf dem Eis, nirgends gab es einen Halt. Und das Dunkel würde noch früh genug kommen, das wusste sie.
Die Gespräche mit den Kindern würden nicht leicht werden. Sie würden so viele Fragen stellen, auf die es natürlich keine Antworten gab. Warum? Das war die erste Frage. Ein blutiger Tod, wie war das nur möglich? Ihr Vater und noch dazu in Istanbul? »Er war doch nicht in irgendwelche kriminellen Machenschaften verstrickt, Mama?«, wollte Lotta wissen. »Papa war doch die Gutmütigkeit in Person.«
Die Kinder weinten, sie ließ sie weinen und versuchte, einen kühlen Kopf zu bewahren. Es würden noch genug einsame Tage und Nächte kommen, in denen sie sich ungestört die Augen aus dem Kopf weinen konnte. Eine Schulter, an die sie sich lehnen konnte, würde sie sicher auch finden, wenn sie das wollte und brauchte.
Dann mussten alle praktischen Fragen im Zusammenhang mit der Beerdigung geklärt werden. Lotta hatte das angesprochen. Das war typisch für sie. Es war Birgitta jedoch gelungen, sie zu bremsen. Sie würden das Bestattungsunternehmen anrufen, wenn sie aus Istanbul zurück waren. Das sollte sich dann um alles kümmern. Sie wusste schließlich nicht einmal, wann die Polizei in Istanbul Carl-Ivar freigeben würde. Lotta hatte bei dieser Bemerkung wieder zu schluchzen begonnen, ganz so wie früher, als sie noch ein Kind gewesen war. Johan hatte nur leise geweint. Mit seiner Frau Malin war gut auszukommen. Sie würde ihn sicher trösten. Johan und Malin waren ganz einfach unkomplizierte Menschen.
Sie musste sich mit eigenen Augen davon überzeugen, dass der Tote wirklich Carl-Ivar war und nicht irgendein anderer, der ihm seinen Führerschein gestohlen hatte.
Ihr gingen alle möglichen wirren Gedanken durch den Kopf. Praktische Fragen. Sie versuchte, den Gedanken an Behördengänge, Ordner, Versicherungen, Konten, private und geschäftliche, von sich zu schieben. Man müsste eigentlich eigens dazu ausgebildet sein, das Papierchaos als frischgebackene Witwe zu bewältigen, hatte jemand gemeint. Annelie würde sich sicherlich weiterhin um das Teppichgeschäft kümmern, wenn sie sie darum bat. Was für ein Glück, dass sie bereits eingearbeitet war! Magnus, der sich mit geschäftlichen Dingen auskannte, hatte versprochen, nötigenfalls auch mitzuhelfen.
Einstweilen sollte sie jedoch nichts weiter unternehmen und erreichbar sein für die Beamten.
»Momentan«, das Wort wurde von der Polizei gern in den Mund genommen. »Momentan haben wir keine Vorstellung davon, wer dahinter stecken könnte«, hatte die Polizei geduldig auf ihre ständig wiederkehrende Frage geantwortet, und ihr war klar geworden, dass man schon froh sein musste, wenn man überhaupt irgendeinen Schuldigen fand.
Die Ermittlung war Aufgabe
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