Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 07 - Tödliche Geschäfte
ausgeraubt werden, während man in einem anderen Zimmer fernsah. Die fünfziger Jahre seien die reine Idylle gewesen, sagten alle, die sie erlebt hatten. Da konnte man sich noch aufeinander verlassen. Aber auch an den sechziger Jahren gab es nichts auszusetzen, an die er sich noch gut erinnerte.
Er dachte wieder an Olsson. Bis auf weiteres hatte er die Ehefrau und die beiden Kinder mit ihren Familien von der Liste der Verdächtigen gestrichen, da sie sich zum Zeitpunkt des Mordes in Schweden aufgehalten hatten. Annelie Daun, die Nichte, die sich um das Geschäft kümmerte, ebenfalls. Peter Berg und Martin Lerde hatten ihre Mutter aufgesucht, die Schwester von Olsson, eine in Oskarshamn stadtbekannte Alkoholikerin. Sie war bei dem Besuch recht nüchtern und schien nicht einmal zu wissen, dass sich ihr Bruder in der Türkei aufgehalten hatte.
Also niemand im näheren Umfeld, falls es sich nicht um einen Auftragsmord handelte, aber diese Theorie war eher abwegig.
Sie würden später eine Liste mit den Personen erstellen, die über Kontakte in der Türkei verfügten.
Die nächste Frage lautete, ob der Täter es auf Olsson persönlich oder auf seinen Besitz, sein Geld oder einen teuren Teppich abgesehen hatte. War eine Transaktion schiefgelaufen? Brauchte jemand dringend Geld? Ging es um Schulden? Hier ließ sich sicher noch einiges herausfinden, so viel war klar.
War der Mord spontan und ohne Planung verübt worden? Danach sah es nicht aus. Die Gefahr entdeckt zu werden, war angesichts der vielen Passagiere auf der Fähre zu groß. Das Ganze war ganz schön dreist. Entweder war der Mord perfekt getimt oder von einem kaltblütigen Täter detailliert geplant. Er hatte Olsson verfolgt und zugeschlagen, als die Wahrscheinlichkeit gesehen zu werden, am größten war.
Aber warum in Istanbul?
»Man denkt natürlich sofort an Rauschgift«, meinte Özen. Da ist was dran, dachte Claesson. Unter Dealern ging es immer brutal zu. In diesem Fall handelte es sich nicht um eine Maßnahme zur Einschüchterung Olssons, also um Totschlag im Affekt, sondern zweifelsfrei um Mord.
Annelie Daun würde, soweit er die Zusammenhänge bislang verstand, nicht vom Tod des Teppichhändlers profitieren. Wahrscheinlich würde sie ihre Arbeit verlieren, aber immerhin lebte sie in gesicherten Verhältnissen, da ihr Mann sie versorgen konnte.
Sie hatten den Verdacht, dass Olsson kurz vor dem Abschluss eines sehr großen Geschäfts gestanden hatte. Claesson blieb es ein Rätsel, weshalb ein Sammler oder Teppichliebhaber für einen mottenzerfressenen halben Teppich Millionenbeträge zahlen konnte, gleichgültig ob er sechshundert Jahre alt war oder nicht. In wessen Auftrag hätte Olsson eventuell diesen außergewöhnlichen Teppich besorgen sollen? Konnte er ihn beschaffen, ehe er umgebracht wurde? Und falls ja, wo befand sich der Teppich jetzt? Wie bezahlte er ihn? Oder war Olsson nur der Mittelsmann? Ein Teppichkurier, der den Teppich durch den Zoll nach Schweden bringen sollte, während die Millionen auf den Konten anderer eingingen? Irgendetwas musste Olsson aber in jedem Fall an der Sache verdient haben.
Die Kollegen zu Hause überprüften gerade die Konten, sowohl die privaten als auch die der Firma. So etwas dauerte erfahrungsgemäß eine ganze Weile.
Die Wahrscheinlichkeit, dass Olsson die Ehrlichkeit in Person gewesen war, war im Prinzip größer, als dass er Rauschgiftkurier oder unseriöser Teppichhändler gewesen war. Zu diesem Schluss kam Claesson letzten Endes. Die meisten Menschen sind gesund, pflegte Veronika zu sagen, obwohl es ihr aus ihrer Krankenhausperspektive heraus manchmal schwerfiel, das zu glauben.
Claesson sah verschiedene Szenarien vor sich. Olsson mit viel zu dicker Brieftasche auf der Fähre. Die Brieftasche war jedoch weder verschwunden noch geleert gewesen. Außerdem waren Taschendiebe nur selten bereit zu töten.
Es wäre bedeutend einfacher gewesen, das Geld zu stehlen und die Brieftasche über Bord zu werfen, dachte er. Olsson sitzt gemütlich auf der Fähre, während die anderen Passagiere von Bord gehen. Der Täter schleicht sich an. Zieht sein Messer, rammt es seinem Opfer in den Bauch und hält ihm den Mund zu, damit er nicht schreit. Das laute Stöhnen wird vom Lärm der Motoren übertönt, die aufheulen, als die Fähre abbremst, um anzulegen. Das Blut strömt, und Olsson verliert rasch das Bewusstsein. Der Täter wirft das Messer über Bord, schließt sich den anderen Passagieren an und geht ruhig über
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