Lupus - Ankunft der Woelfe
spielte. Hatte sie ihn in der Klinik abgefangen? Er prägte sich die Rufnummer ein, das Handy piepte und schaltete sich ab. Der Akku war endgültig leer.
Eine halbe Stunde später standen er und Frantz mit gezücktem Dienstausweis vor der Personalchefin der Charité.
»Wo erreichen wir Diana Boxer? Es ist dringend.«
»Tut mir leid. Frau Doktor Boxer hat kurzfristig länger Urlaub genommen. Am zweiten Januar ist sie wieder zurück.«
»Bis dahin können wir nicht warten. Wir brauchen ihre Adresse. Vielleicht erreichen wir sie zu Hause.« Cube trat von einem Fuß auf den anderen.
Die Personalchefin blickte in ihren Computer, nahm einen Kugelschreiber und Papier. Mit betont langsamer Schönschrift schrieb sie die Daten auf einen Zettel. Dann tippte sie mit dem Zeigefinger auf eine Ecke des Blatts und schob es über den Schreibtisch.
»Ich habe Ihnen auch die Festnetznummer mit aufgeschrieben und die Telefonnummer an der Uni, wo sie unterrichtet. Vielleicht haben Sie ja dort mehr Glück. Kann ich sonst noch etwas für Sie tun? Meine Herren?«
»Ja, haben Sie ein aktuelles Foto von Frau Boxer in Ihrer digitalen Personalakte? Ich hätte gerne einen Ausdruck.«
Die nächsten beiden Stunden verbrachten sie damit, die junge Ärztin zu suchen. An der Uni hatte sie sich ordnungsgemäß abgemeldet, die Wohnungstür öffnete sich nicht auf ihr Sturmläuten, und die Nachbarn hatten keine Ahnung, wo sie sich aufhielt. Cube blickte auf das Foto, auf dem sie dezent geschminkt war. Mittelblonde Haare, blaue Augen, modischer Kurzhaarschnitt. Er hielt dem Mann das Foto hin. »Kennen Sie diese Frau?«
Der Nachbar kniff verdutzt die Augen zusammen, grübelte einen Moment und nickte dann. »Das ist sie, aber inzwischen sind ihre Haare heller und länger. Was doch Schminke aus so einem Durchschnittsgesicht machen kann.« Er zuckte mit den Schultern. »Aber ja, das ist sie.«
Zurück im Büro holten sie sich Unterstützung bei dem neuen IT-Experten, der die Einwahl von Beckers Handy bemerkt hatte.
»Die Kripoleute sind mit den Technikern per Du«, sagte Cube. »Trotzdem nennen mich alle beim Nachnamen.«
»Und mich Frantz«, sagte Henner.
»Ich verstehe«, sagte der junge Mann und grinste. »Ich heiße Heino.«
»Ein seltener Vorname«, sagte Frantz und eine Pause entstand.
»Mein Nachname ist momentan leider überhaupt nicht in Mode«, sagte Heino schließlich verlegen.
»Ich höre? Uns kannst du es doch sagen.« Frantz nickte aufmunternd.
»Hundt. Mit dt am Ende. Aber meldet ihr euch mal in der heutigen Zeit am Telefon mit diesem Namen. Das T hört ja keiner.«
»Verstehe. Ich bin übrigens Leiter der neugegründeten Interessengruppe Schäferhunde«, sagte Frantz. Über sein Gesicht huschte ein düsterer Ausdruck. »Nach den neuesten Dienstanweisungen wird die Hundestaffel abgeschafft. Die dienstliche Nähe zu Tieren ist nicht mehr gewünscht, seit wir die Genveränderten haben.«
»Ich verstehe. Alle haben Angst. Und vor allem wird die Schuld auf die armen Tiere abgewälzt.« Heinos Finger flogen über die Tasten seines Computers. »Gebt mir zehn Minuten.« Er hob die linke Hand. »Okay, fünf. Ich fange mit den Flügen ab Berlin an. Wenn die Dame geflogen ist, muss sie auf einer der Passagierlisten stehen. Ich beginne sicherheitshalber direkt ab dem Zeitpunkt ihres Telefonats mit Becker.«
Vier Minuten später blickte Heino strahlend hoch. »Ich habe sie. Diana Boxer ist vierundzwanzig Stunden später nach Las Vegas geflogen. Dort hat sie sich einen Mietwagen genommen. Kennzeichen und Automarke reiche ich nach. Das dauert etwas länger.«
Cube nickte. »Danke.« In seinem Innern tobte plötzlich ein Orkan. Ohne sich zu verabschieden, stürmte er aus dem Büro und rannte in den Waschraum. Mit beiden Händen hielt er sich am Waschbecken fest und versuchte, seine Atmung zu beruhigen. In seinen Ohren hallten Schüsse und die Schreie der sterbenden Mädchen in der Mesa Verde.
Er drehte den Wasserhahn auf und tauchte den Kopf unter. Sein Gehirn begann zu arbeiten. Von Las Vegas aus war es eine Tagesfahrt bis zum ehemaligen Camp. Gut 500 Meilen. Die wären in knapp zehn Stunden zu schaffen. Von Durango aus wäre die Strecke noch kürzer. Aber vielleicht lag um diese Jahreszeit Schnee auf den Straßen. Bereits im Oktober sanken die Temperaturen in der Mesa Verde nachts unter den Gefrierpunkt. Ja, mit Sicherheit lag dort jetzt Schnee. Ob es das Camp noch gab?
Er blickte in sein bleiches Gesicht und wusste, jetzt müsste er
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