Lupus - Ankunft der Woelfe
Informationen sie in den ersten Stunden nach einem Mord sammeln konnten, desto größer war die Chance, den Täter zu fassen, bevor er seine Spuren verwischen oder gar erneut zuschlagen konnte.
Kyra reichte eine Dose mit Koffein-Bonbons herüber. Offensichtlich konnte sie seine Gedanken lesen. Lächelnd griff er zu.
Frantz ging nach vorne und fasste zusammen, was die Kollegen in der Zwischenzeit über die ermordete Krankenschwester herausgefunden hatten. In ihrer Wohnung hatten sie auffallend viele Armbanduhren, Handys und Schmuck gefunden. Alles deutete auf Diebstahl hin.
Schiller übernahm die Abschlussrede und endete wie schon beim ersten Leichenfund. »Ich will, dass wir den Täter in 48 Stunden fassen.«
*
Es knackte. Cube hatte den Koffeinspender zerbissen. Inzwischen waren zwanzig Stunden vergangen. Sie hatten eine zweite Leiche und noch immer keine Spur. Die Besprechung ging in allgemeines Gemurmel über. Die Kollegen erhoben sich in den Reihen und stürmten aus dem Besprechungsraum. Er hoffte, wenigstens jetzt noch einen Kaffee in der Küche zu ergattern, und erhob sich ebenfalls. Doch bevor er gehen konnte, rief ihn Schiller zu sich. »Ich würde Sie gerne etwas am Rande der Ermittlungen halten. Sie wissen schon, unauffällig im Umfeld umhören und nicht den Ausweis zücken.«
»Also wie immer. Ich habe verstanden.«
Im Augenwinkel sah er, dass Kyra in der Tür stand und auf ihn wartete. Schiller hielt ihn am Arm fest. »Sie können doch gut mit Ihrer Kollegin Kyra … Erklären Sie ihr bitte, dass es nichts mit ihr zu tun hat, dass wir sie eine Weile im Innendienst lassen müssen. Wir ermitteln im klinischen Umfeld. Da kann sie nicht mit einem Schnupfen reinspazieren. Sie wissen ja, warum.«
Cube nickte. »Verdammte Pandemie.«
»Es ist nur zu ihrer eigenen Sicherheit. Natürlich ist sie dienstfähig. Aber die Leute draußen sehen das anders. Wir warten täglich auf neue Dienstanweisungen vom Ministerium, wie mit erkälteten Kollegen zu verfahren ist.« Hilflos zuckte er mit den Schultern. »Wir haben sowieso schon zu wenig Personal.«
»Ist noch was, Chef? Ich brauche dringend einen Kaffee.«
Schiller nickte. »Das war schon alles.«
Mit langen Schritten stürmte Alexander aus dem Besprechungsraum. Kyra war inzwischen ohne ihn gegangen. Er sah sie auch nicht mehr im Gang. Hoffentlich wartete sie in der Küche, dachte er und öffnete die Tür.
Frantz stand mit einem Steingutbecher in der Hand an der Kaffeemaschine. »Kaffeebohnen sind alle. Kannst du ein neues Paket von der Tankstelle mitbringen? Du musst doch jetzt sowieso los.«
»Ja, natürlich.«
Während er seinen Mantel holte, suchte er nach Kyra. Vor der Informationswand standen Kollegen flüsternd beieinander. Doch Kyra war nirgends zu sehen.
Eine halbe Stunde später parkte er auf dem Parkplatz einer Kneipe am Rande der Hackeschen Höfe. Dort hatte sich der Exmann der toten Ärztin angeblich in der vermutlichen Tatnacht aufgehalten. Thekendienst von zwanzig Uhr abends bis morgens um fünf, hatte es in der Besprechung geheißen. Der geschiedene Gatte war bereits befragt worden.
Cube wollte noch einmal nachhaken. Das rote Backsteingebäude am Hackeschen Markt lag hell erleuchtet vor ihm. Wachleute sicherten das Touristenviertel. Sie waren an ihren schwarzen Jacken mit den weißen Emblemen zu erkennen. Die Kneipe, in die Cube wollte, lag abseits am Rande des Viertels.
Die vergammelte, zerschrammte Holztür, von der mindestens zehn Farbschichten abblätterten, öffnete sich mit lautem Quietschen. Nur eine Handvoll Leute hielt sich in der Kneipe auf: Ein jüngerer Mann spielte an einem nostalgisch anmutenden Kicker. Drei Männer saßen an einem runden Holztisch, droschen Skat und tranken Bier. Ein Mann war an seinem Platz eingeschlafen. Sein Kopf ruhte auf dem Tisch neben einem halb vollen Teller mit kalten Pommes.
Cube stellte sich an die leere Theke und bestellte einen Kaffee.
»Keen Bier?«, fragte der Wirt. Ein hemdsärmeliger Kerl mit gerötetem, fleischigem Gesicht.
»Nein, Kaffee, bitte. Ich muss heute Nacht noch arbeiten. Bin Fahrer einer Security-Firma. Meine Schicht beginnt um elf Uhr.«
»So, eine Security-Firma? Wat fahrt ihr denn? Goldbarren? Oder schicke Politiker?« Der Wirt musterte Cube unverhohlen. Schließlich drehte er sich zum Ausschank und zapfte Bier.
»Sie haben ja auch noch eine lange Arbeitsnacht vor sich«, versuchte Cube einen unverfänglichen zweiten Start in ein Gespräch. »Haben Sie auch mal
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