Lust kennt kein Tabu
unzufriedene Patienten ging. Solche Situationen deprimierten sie immer ganz besonders.
Schweren Herzens nahm sie den Telefonhörer ab, um Margaret zu verständigen.
Dann beschloss sie, erst einmal Nicholas anzurufen. Sie wollte seine Stimme hören und sich den Kummer von der Seele reden, ermutigt und getröstet werde. Sie brauchte seine Unterstützung, eine Schulter zum Anlehnen.
„Hey, Darling“, sagte sie, nachdem er sich auf seinem Handy gemeldet hatte.
„Hi. Was gibt’s?“
„Bist du beschäftigt?“
„Allerdings. Was ist los?“
Seufzend sank sie in sich zusammen. „Eine Katastrophe … Soeben war ein wütender Patient bei mir, der sich einbildet, ich hätte ihn hinters Licht geführt. Obwohl er sich anfangs besser fühlte, hat er jetzt wieder Schmerzen und behauptet, daran sei ich mit meinem verdammten ‚Hokuspokus’ schuld.“
„Hmmm – ziemlich unerfreulich …“ Anscheinend war Nicholas mit seinen Gedanken woanders.
„Was noch schlimmer ist – er will sein Geld zurück. Alles. In fünf Tagen. Sonst verklagt er uns.“
„Das wird nicht funktionieren.“
„Vielleicht nicht. Aber er kann dem Center und mir riesige Schwierigkeiten machen, wenn er einen Prozess anstrengt.“ Zienna stöhnte verzweifelt. „Das würde Zeit kosten. Und Geld …“
„So weit wird es wohl kaum kommen.“
„Ich muss noch mit Margaret reden. Mal sehen, was sie unternehmen möchte. Manchmal ist das Gerede solcher Typen schlimmer als der finanzielle Verlust, und es wäre einfacher, diesem Patienten zu geben, was er will. Andererseits steht eine sehr hohe Summe auf dem Spiel. In der ersten Zeit ging es ihm gut, aber er sollte die Übungen fortsetzen, die ich entwickelt hatte. Aber sobald ihm nichts mehr wehtat, hörte er damit auf.“
„Ja, ich verstehe … Nein, nein, das gehört da nicht hin.“
„Wie, bitte?“
„Sorry, ich habe mit den Handwerkern geredet. Mach dir keine Sorgen, Zee. Sicher wird sich alles zum Guten wenden.“
„Aber ich bin so deprimiert.“
„Kein Wunder.“ Das klang erneut so, als würde Nicholas nur mit halbem Ohr zuhören. „Tut mir leid, jetzt muss ich mich um die Jungs kümmern. Gerade wird der Teppichboden noch mal verlegt.“
„Was? Nur wegen dieses kleinen Flecks?“
„Ja.“
Den ganzen Teppichboden ließ er wieder aufreißen? „Ich dachte, du würdest diese Stelle reinigen lassen.“
„Das habe ich mir anders überlegt. Es war nicht perfekt. Und das störte mich. Donnerstag soll alles makellos sein.“
„Dein Lokal sieht fantastisch aus, und die Eröffnungsfeier wird sicher ein gigantischer Erfolg.“
„Da kommen die berühmtesten Restaurantkritiker. Sogar jemand von der New York Times. Deshalb stehe ich unter gewaltigem Druck.“
„Deine Speisekarte ist phänomenal, deine Kochkunst ebenso, das Dekor traumhaft. Also werden die Kritiker das ‚Reflections on the Bay’ mit Lobeshymnen überhäufen.“
„Danke, Babe. So schwer es mir auch fällt – nun muss ich wirklich Schluss machen. Später reden wir noch mal. Halt die Ohren steif.“
Halt die Ohren steif … Als würde er ihr einen kleinen Klaps auf den Po geben.
Und irgendwie – obwohl dieses Telefonat sie trösten und ermutigen sollte, war sie es gewesen, die ihn aufgemuntert hatte.
Unfähig, ihren Ärger zu unterdrücken, starrte sie den Hörer in ihrer Hand an.
Was für eine Unterstützung war das denn? Genauso gut hätte Nicholas sagen können: Dein Problem ist nicht so wichtig wie meines.
Das Gespräch mit Margaret verlief erwartungsgemäß, das Reha-Center würde die Honorare, die Donald für seine Therapien bezahlt hatte, nicht zurückerstatten. Aber man wollte ihm zwei kostenlose Behandlungen anbieten. Zienna rief ihn an, um ihm die Neuigkeiten mitzuteilen, erreichte ihn aber nicht, hinterließ eine Nachricht auf seiner Mailbox und hoffte, ihn damit zu besänftigen.
Immer noch vom Stress dieses Tages geplagt, verließ sie nach Dienstschluss das Center und sehnte sich nach einem ausgiebigen Schaumbad in ihrer überdimensionalen Wanne.
Auf dem Weg zu ihrem Auto nahm sie den Schüssel aus ihrer Handtasche, öffnete die Tür und setzte sich ans Steuer. Als an das Fenster an der Fahrerseite geklopft wurde, zuckte sie erschrocken zusammen. Sie hatte geglaubt, sie wäre allein auf dem Parkplatz.
Voller Unbehagen blickte sie auf und sah Wendell neben dem Wagen stehen.
Da erstarrte sie, schaute nicht weg, öffnete weder das Seitenfenster noch die Tür.
Wendell lächelte sie an.
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