Lust kennt kein Tabu
sie ihn an, als wäre ihm plötzlich ein zweiter Kopf gewachsen. „Hast du nicht gehört, was ich gesagt habe? Du brauchst sofortige …“
„Das habe ich gehört. Und ich sage dir – im Moment sind mir meine Schmerzen egal. Ich bin lieber hier bei dir als anderswo. Selbst wenn ich niemals gesund werde.“
„Sei nicht so dumm! Eine dauerhaft beschädigte Schulter bin ich nicht wert.“
„Und wenn ich behaupte, das bist du doch?“
Zienna seufzte ärgerlich. „Was ich sagte, war wirklich ernst gemeint. Wir dürfen uns nicht mehr treffen.“
„Daran wollte ich mich halten. Wie lange ist es her? Vier Tage? Vier Tage – und ich krieg’s nicht hin. Es ist mir sogar gleichgültig, dass ich verletzt wurde. Denn das verschaffte mir einen Grund, hierherzukommen. Zu dir.“
„Hast du völlig den Verstand verloren?“
„Vielleicht … Ich dachte früher, ich finde niemals eine Frau, an die ich mich binden würde. So viele kannte ich. Keine interessierte mich, bei keiner wollte ich bleiben. Bis ich dir begegnet bin.“
„Hör auf.“
„Und – ja, ich war damals auch mit einer anderen zusammen, weil ich glaubte, ich wäre ihr sehr viel schuldig.“
„Hör auf, habe ich gesagt!“
„Ich versuchte, mit ihr zu leben, nur wegen unseres Kindes. Aber schon bevor Jeremiah starb, dachte ich die ganze Zeit an dich.“
„Um Himmels willen, sei still !“ Zienna zog das Hemd über seinen Arm nach oben und wandte sich ab.
„Weißt du, wie gern ich dich jetzt küssen würde?“
„Bitte, Wendell …“ Ihr Herz raste.
„Aber ich tue es nicht, weil ich deine Gefühle respektiere. Erst wenn für uns beide alles okay ist…“
„Nein, unmöglich …“ Zienna ging zur Tür. „Jemand anderes wird dir dieSpritze geben.“
„Zee…“
Doch sie hatte den Raum bereits verlassen.
20. KAPITEL
Nach Wendells Besuch ein Nervenbündel, konnte Zienna sich kaum auf ihre Arbeit konzentrieren. Schließlich erklärte sie Margaret, sie fühle sich nicht gut, was keine Lüge war. Sie fuhr früher nach Hause, trank eine Tasse Kamillentee und versuchte zu schlafen.
Am Mittwoch würde sich der Todestag ihrer Eltern zum zehnten Mal jähren. Sie fürchtete sich schon vor diesem bedrückenden Datum. Insbesondere, weil es in ihrem eigenen Leben grade so große private Probleme gab.
Sie hatte gehofft, mit dreißig würde sie einen Mann zum Heiraten gefunden haben. Schon mit Anfang zwanzig hatten ihre Eltern geheiratet. Zwei Jahre später war Zienna geboren worden, nach weiteren vier Jahren Tabitha.
Bis zum letzten Atemzug hatten Mom und Dad sich geliebt. Dass sie zusammen gestorben waren, fand Zienna angemessen. Denn sie konnten nicht ohne einander. Ein solches Glück wünschte sie sich auch. Und sie war sicher gewesen, sie hätte es mit Nicholas gefunden.
Bis Wendell nach Chicago zurückgekehrt war.
Und verdammt – jetzt fand er genau die richtigen Worte. Er verhielt sich wie ein völlig veränderter Mann, war im Bett sogar besser denn je. Aber ihr Herz? Nein, ihr Herz würde es nicht überstehen, ihn noch einmal zu verlieren.
Und Nicholas? Sicher wäre er zutiefst verletzt, wenn sie ihn verlassen würde, so wie Wendell es vorgeschlagen hatte. Denn sie wusste jetzt, wie sehr Nicholas sie liebte.
Was für ein qualvolles Dilemma …
Nachdem sie eine Zeit lang darüber nachgedacht hatte, rief sie Nicholas an. „Hey, wie geht’s dir?“, fragte sie.
„Gerade habe ich an dich gedacht, Baby.“
„Sehr gut.“ Sie seufzte leise. „Sehen wir uns später? Ich brauche dich.“
„Natürlich, du hast ja den Schlüssel. Komm doch rüber! Ich habe einen langen Tag hinter mir. Um acht kann ich daheim sein.“
„Bis dann. Ich liebe dich, Darling.“
„Und ich dich.“
In Nicholas’ Schlafzimmer sank Zienna auf sein Bett und schaute sich einen Film an. Doch die Erschöpfung musste sie überwältigt haben, denn sie erwachte erst wieder, als sie seine Lippen auf ihrer Wange spürte.
„Hallo, du“, murmelte sie und schlang die Arme um seinen Hals. „Wie schön, dass du da bist…“
Hingebungsvoll presste er seinen Mund auf ihren. Leider beendete er den Kuss etwas zu früh, und sie protestierte stöhnend.
„Einfach wundervoll, nach Hause zu kommen und dich hier anzutreffen“, sagte er.
Sie richtete sich auf, und er setzte sich zu ihr. „Und mir gefällt’s, indeinem Bett aufzuwachen“, erwiderte sie, den Kopf an seine Schulter gelehnt.
„Hast du das Gemälde im Wohnzimmer gesehen?“
Zienna hob den Kopf.
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